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Wer steigende Kosten durch eine neue Preisgestaltung nach neuer GOT ausgleichen möchte, muss eine individuelle wirtschaftliche Prognose wagen.
Foto: Marion Weerda
Wer steigende Kosten durch eine neue Preisgestaltung nach neuer GOT ausgleichen möchte, muss eine individuelle wirtschaftliche Prognose wagen.

Neue GOT

Finanzen für Tierärzte: Preisfindung am Praxisbeispiel

Steigende Kosten in der Tierarztpraxis durch eine neue Preisgestaltung nach GOT 2022 ausgleichen? Dazu braucht es eine individuelle wirtschaftliche Prognose.

Dirk Brennecke, Unternehmensberater in der IVP Unternehmensberatung GmbH Am Beispiel der Tierarztpraxis Dr. Hundefreund (Name geändert) betrachten wir die wirtschaftliche Analyse einer Tierarztpraxis mit den Möglichkeiten der neuen GOT. Das letzte Quartal des Jahres 2022 war durch die TFA-Tariferhöhungen und die Einführung der neuen GOT zum 22. November 2022 geprägt. Hinzu kommen globale Entwicklungen, in erster Linie steigende Kosten und zunehmende Inflation. Diese betreffen auch das „Unternehmen Privathaushalt“.

Für eine Praxisanalyse wurden Gewinnermittlungen und die aktuelle Betriebswirtschaftliche Auswertung herangezogen. Informationen aus der Praxisverwaltungssoftware helfen dabei, auch das Praxisgeschehen und das Entstehen von Umsätzen nachzuvollziehen.

Unter chronologischen Gesichtspunkten wurde für die Praxis Dr. Hundefreund zunächst eine Vergangenheitsanalyse von 2015 bis 2021 vorgenommen. Danach erfolgte eine Status-Quo-Betrachtung zum Ende des dritten Quartals des Jahres 2022 und im Anschluss eine Prognose der Umsatzentwicklung für das Geschäftsjahr 2023.

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Entwicklung der Praxis: Mehr Gewinn durch einen Mitarbeiter

Die betriebswirtschaftliche Entwicklung der Tierarztpraxis wurde anhand der Betriebseinnahmen, der Betriebsausgaben, des Betriebsergebnisses und der jährlichen Umsatzrendite dokumentiert. Die finanzwirtschaftliche Analyse basiert auf dem Datenmaterial des steuerlichen Beraters.

Von 2015 bis 2021 haben sich die Betriebseinnahmen von rund 291.000 € netto auf rund 539.000 € erhöht. Die Betriebsausgaben haben sich von 201.000 € auf ca. 360.000 erhöht. Als Betriebsergebnis vor Steuern konnten in 2015 rund 91.000 € zugunsten des Praxisinhabers verbucht werden. In 2021 blieben 179.000 € nach Abzug aller Praxiskosten übrig. Dies entspricht einer Steigerung von nahezu 197 Prozent. Die signifikante Zunahme des Betriebsergebnisses ist im Wesentlichen auf die Einstellung eines tierärztlichen Mitarbeiters in 2018 und die kontinuierliche Erhöhung der Preise zurückzuführen.

Die Anzahl der aktiven Kunden hat sich von 1.339 in 2015 auf 1.666 aktive Tierhalter in 2021 erhöht. Ebenso konnte die Anzahl der Besuche von 6.068 auf 7.505 gesteigert werden. Der Nettoumsatz der Tierarztpraxis Dr. Hundefreund hat sich von 48 € auf 72 €  pro Besuch erhöht.

Seit der Einstellung des tierärztlichen Mitarbeiters hat sich dieser ins Verdienen gebracht und erwirtschaftet mittlerweile einen ebenso hohen Umsatz wie der Praxisinhaber. Zudem hat sich das Abrechnungsniveau für die umsatzstärksten Leistungen im Durchschnitt vom 1,5-fachen Satz der GOT in 2015 auf den 1,9-fachen Satz in 2021 erhöht.

Einnahmen und Ausgaben: Wo steht die Praxis?

Die Status-Quo-Analyse für das Geschäftsjahr 2022 fokussierte sich in erster Linie auf das Leistungsportfolio der Tierarztpraxis. Die neuen Leistungsbezeichnungen und die neuen Preise erforderten eine komplette Überarbeitung sämtlicher Leistungen.

In diesem Zusammenhang wurde eine ABC-Analyse durchgeführt. Dieser Analyse liegt das so genannte Pareto-Prinzip zugrunde. Mit den A-Leistungen erwirtschaftete die Tierarztpraxis 80 % der Nettoumsätze. Mit den B-Leistungen wurden weitere 15 % der Nettoumsätze und mit den C-Leistungen die restlichen 5 % der Nettoumsätze erwirtschaftet. Die Kategorisierung dient der Konzentration auf das Wesentliche, d.h. auf diejenigen Leistungen, die das Gros der Leistungsumsätze ausmachen.

Insgesamt wurden vor der GOT Anpassung 169 A-Leistungen, 293 B-Leistungen und 447 C-Leistungen registriert. Die Umsätze für jede einzelne Leistung wurden auf das Geschäftsjahr 2022 hochgerechnet, um eine Kalkulationsbasis für die Prognoserechnung zu erhalten.

Grundsätzlich konnte festgestellt werden, dass sich das Abrechnungsniveau der A-Leistungen in 2022 im Durchschnitt auf den 2-fachen Satz der alten GOT erhöht hat.

Mittels der Betriebswirtschaftlichen Auswertung für den Monat Dezember konnten die Betriebseinnahmen, die Betriebsausgaben und das vorläufige Ergebnis ermittelt werden. Das Umsatzniveau hat sich geringfügig auf 531.000 € reduziert. Auch die Betriebsausgaben reduzierten sich auf 345.000 €, sodass sich das Betriebsergebnis „unterm Strich“ auf rund 186.000 € erhöhte.Die Verringerung der Betriebsausgaben war in erster Linie auf den Weggang einer Tiermedizinischen Fachangestellten zurückzuführen.

Der Blick in die Zukunft

Grundsätzlich sind sämtliche Vorhersagen hinsichtlich der Betriebseinnahmen, Betriebsausgaben und des entnahmefähigen Gewinns mit Unsicherheit behaftet.Die Prognose der Praxiskosten ist tendenziell einfacher als die Schätzung der Umsätze. Der Material- und Wareneinkauf wird stark durch den Einkauf von Medikamenten und Verbrauchsmaterial etc. dominiert. Steigende Einkaufspreise werden in der Tierarztpraxis durch ein effizientes Bestellcontrolling unmittelbar an die Kunden weitergegeben.

Die zweitgrößte Kostenposition der Tierarztpraxis wird durch die Personalkosten repräsentiert. Die Personalkosten für die bereits tätigen Tiermedizinischen Fachangestellten werden sich im Geschäftsjahr um rund 6.000 € erhöhen. Zudem ist der Eintritt einer weiteren nicht-tierärztlichen Kollegin zum Ende des ersten Quartals 2023 geplant. Die zusätzliche Arbeitskraft wird voraussichtlich mit rund 22.500 € zu Buche schlagen. Auch die beiden tierärztlichen Mitarbeiter bekommen Lohnerhöhungen als Inflationsausgleich, die sich mit 10.000 € bemerkbar machen.

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Die Energie- und Mietnebenkosten wurden im Vergleich zum Geschäftsjahr 2022 um 5.000 € erhöht. Im Ergebnis werden die Praxiskosten in 2023 um 43.500 € zunehmen. Zudem steht die Finanzierung des Kaufs einer eigenen Praxisimmobilie an. Die Immobilie wird im Privatvermögen gehalten und der Kapitaldienst beläuft sich auf 50.000 € p.a. Nach Abzug der wegfallenden Mietzinsen bleibt eine Mehrbelastung von rund 25.000 € p.a.

Die Preisgestaltung sollte den zusätzlichen Liquiditätsbedarf von 68.500 € decken.

Nach der Kostenschätzung wurden die Preise für die Leistungen im Unternehmen Tierarztpraxis mithilfe einer Szenariorechnung ermittelt. In diesem Zusammenhang wurden auch die Leistungsketten wie z. B. Standardbehandlungen (Impfungen) und Standardoperationen (Kastrationen) überprüft.

Das Abrechnen zum durchschnittlich 1,5-fachen Satz der neuen GOT verspricht einen Umsatzzuwachszuwachs von rund 80.000 €. Mit diesem Umsatzwachstum, welches im Wesentlichen auf Preissteigerungen im Rahmen der Leistungserbringung zurückzuführen ist, sollten die Praxiskosten sowie der Kapitaldienst für die neue Praxisimmobilie und die Inflation im privaten Bereich ausgeglichen werden können.

Kostenstrukturen sind individuell, Preise sollten es auch sein

Das dargestellte Praxisbeispiel dokumentiert, dass Einzelfallbetrachtungen notwendig sind, um auf die individuellen Gegebenheiten im Unternehmen Tierarztpraxis und im Unternehmen Privathaushalt eingehen zu können. Pauschale Absprachen zur Preisfindung in Praxisgebieten sind nicht zielführend, da jede einzelne Tierarztpraxis über eine individuelle Kostenstruktur verfügt. Ebenso unterschiedlich sind die privaten Lebensumstände, die eine individuelle Berechnung in Sachen Liquidität, Altersvorsorge und Vermögensaufbau erfordern.

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