Image
Kopie von urban20210908-01-032.jpeg
Foto: Foto: bpt/Marco Urban
Unterschriftenübergabe von Dr. Siegfried Moder an die EVP-MEPs Marlene Mortler, Christine Schneider und Manfred Weber.

bpt | Lobbyerfolg

EU-Parlament stimmt gegen Antibiotika-Verbotsantrag

Das ZDF spricht von einer der „wenigen erfolgreichen Kampagnen“ in Deutschland, die Grünen im EU-Parlament attestieren dem bpt sogar ein „mächtiger Lobbyverband“ zu sein. Was ist passiert?

Am 15. September hat das EU-Parlament den Antrag seines Umweltausschusses (ENVI) für ein weitreichendes Verbot der sog. kritischen Antibiotika für die Tiermedizin abgelehnt und stattdessen den wissenschaftlichen One-Health-Vorschlag der EU-Kommission für einen Delegierten Rechtsakt zur „Kategorisierung von Antibiotika“ angenommen. Entscheidend für dieses Votum war u.a. eine vom bpt angestoßene Unterschriftenkampagne, mit der im Verbund mit dem Europäischen Tierärzteverband (FVE) sowie zahlreichen Tierarzt- und Tierhalterverbänden in den letzten vier Wochen für eine Ablehnung des Antrags geworben wurde. Zweifelsohne einer der größten berufspolitischen Erfolge des bpt in seiner 102-jährigen Geschichte!

Worum ging es?

Eines der Hauptziele der (neuen) EU-Tierarzneimittelverordnung EU (VO) 2019/6 ist es, die EU zum weltweit führenden Wirtschaftsraum bei der Bekämpfung antimikrobieller Resistenzen zu machen. Ein Baustein dafür ist die „Reservierung“ von Wirkstoffen zur ausschließlichen Anwendung beim Menschen. Dazu wurde von der EU-Kommission in Abstimmung mit den 27 EU-Mitgliedsstaaten ein wissenschaftsbasierter Entwurf für einen Delegierten Rechtsakt erstellt, der nicht nur mit allen relevanten EU-Agenturen (EMA, EFSA, ECDC), sondern explizit auch mit OIE und WHO abgestimmt wurde. Damit der Delegierte Rechtsakt in Kraft treten kann, ist nach der EU (VO) 2019/6 die Zustimmung des EU-Parlaments notwendig. Federführend im dort zuständigen Umweltausschuss (ENVI) war der deutsche Grünen-Politiker Martin Häusling, von dem ein deutlich verschärfter Entschließungsantrag vorgelegt wurde, der ein Verbot der „WHO Highest Priority Critically Important Antibiotics“ (also von Fluorchinolonen, Cephalosporinen 3/4, Makroliden und Polymixinen) in der Tiermedizin durch Entzug der Marktzulassung für diese Wirkstoffklassen nach Artikel 37 (3) forderte. Wichtig: Die Einzeltierbehandlung sollte zwar auch nach diesem Antrag möglich sein, verschwiegen wurde aber, dass dazu eine Überarbeitung der in mehr als acht Jahren verhandelten Basisverordnung EU (VO) 2019/6 notwendig gewesen wäre. Genau an diesem Punkt setzte die Kritik von bpt, FVE und BTK an. Unsere Position: Die tierärztlichen Verbände unterstützen alle Bemühungen zur AMR-Bekämpfung, allerdings dürfen Human- und Tiergesundheit nicht gegeneinander ausgespielt werden, weil damit erhebliche Probleme für die Tiergesundheit/Tierschutz einhergehen. Kranke Tiere müssen adäquat behandelt werden können.

Image
Kopie von Unterschriftenliste HF-Beer.jpeg
Foto: Foto: bpt/Richard Kutschki
bpt-Geschäftsführer Heiko Färber übergibt Unterschriften an die stv. FDP-Bundesvorsitzende Nicola Beer.

70-Prozent-Mehrheit gegen den ENVI-Antrag

Dass es weder für die Verankerung der WHO-Liste noch für die Überarbeitung der Basisverordnung eine Mehrheit gab, zeigte die sehr deutliche Mehrheit, mit der das EU-Parlament gegen den ENVI-Verbotsantrag gestimmt hat. Von 686 Abgeordneten haben 450 Abgeordnete dagegen, 32 sich enthalten und nur 204 dafür gestimmt, darunter u. a. alle deutschen EU-Abgeordneten von SPD, Grünen und Linken. Gegen den Antrag haben (fast) alle Abgeordneten der Europäischen Volkspartei (EVP) und der Liberalen (Renew) gestimmt, die S&D (Sozialdemokratische Partei Europas) war als einzige Fraktion gespalten. Nach der Abstimmung im ENVI im Juli, bei der sich EVP und Renew noch enthalten hatten, galten die bpt-Bemühungen der vergangenen zwei Monate besonders diesen beiden Fraktionen. Neben vielen Gesprächen mit den Fraktionsexperten wurden die gesammelten Unterschriften dann auch gezielt an deren Führungspersonal übergeben –den EVP-Fraktionsvorsitzenden Manfred Weber und die stv. FDP-Bundesvorsitzende und Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Nicola Beer. Interessant zur Einordnung ist aber auch der folgende Punkt: Fast alle Humanmedizin-MEPs haben gegen den ENVI-Verbotsantrag gestimmt, während die (deutsche) Bundes-ärztekammer als einer der wenigen Unterstützer für den Antrag des Grünen-Berichterstatters Häusling geworben hat.

Erfolgreiche bpt-Unterschriftenkampagne

Zentral für den bpt-Lobbyerfolg war die gegen den Entschließungsantrag ins Leben gerufene Unterschriftenkampagne, die durch eine Online-Petition ergänzt wurde. In nur vier Wochen haben sich mehr als 650.000 Menschen an dieser Aktion beteiligt (297.452 gesammelte Unterschriften in Tierarztpraxen, 358.925 Unterzeichner der Online-Petition). Viele Medien haben in den letzten Wochen über die erfolgreiche Aktion berichtet. Herzlichen Dank an Sie alle, die diese Kampagne zum Erfolg geführt haben. (Heiko Färber)