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Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift

Ethische und rechtliche Aspekte von Tierversuchen an Primaten

DOI 10.2377/0341-6593-114-81

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 114, 81-85

DOI: 10.2377/0341-6593-114-81

Publiziert: 03/2007

Zusammenfassung

Tierversuche an nicht-menschlichen Primaten stellen aus drei Gründen ein aktuelles Problem dar: In Deutschland ergeben sich aus der 2002 geschaffenen Staatszielbestimmung „ethischerTierschutz" (Art. 20a GG) praktische Konseguenzen für die Genehmigungspraxis von Primatenversuchen in der Grundlagenforschung; in Europa unterliegen die tierschutzrechtlichen Vorgaben aktuell einer Verschärfung und global ist die durch Wildfänge von Primaten verursachte Artenschutzproble-matik noch immer ungelöst. Infolge der Funktionsweise des menschlichen Gerechtigkeitsempfindens (Gleichheitsprinzip) war zu erwarten, dass den Menschenaffen, als den uns ähnlichsten Tieren,eine Schlüsselfunktion in der Tierschutzrechtsetzung zukommen würde. 1997 haben Großbritannien und Irland Versuche an Menschenaffen gesetzlich untersagt. 1999 hat Neuseeland, darüber hinausgehend, Menschenaffen eine Art Grundrechte geschaffen, 2003 haben sowohl die Niederlande die tierexperimentelle Forschung an Menschenaffen verboten als auch Schweden, welches die (in der aktuellen Taxonomie zu den Menschenaffen zählenden) Gibbons in dieses Verbot einbezogen hat. 2006 hat auch Österreich die Forschung an Schimpansen, Bonobos, Gorillas, Orang-Utans und Gibbons gesetzlich untersagt. Unlängst haben die staatlichen Ethikkommissionen der Schweiz ihren Gesetzgeber aufgefordert nachzuziehen. Aktuell wird im Sommer 2006 in Spanien über eine Staatszielbestimmung zum besonderen Schutz von Menschenaffen debattiert. Mit einer weiteren Ausdehnung des Versuchsverbotes (sowohl in geographischer als auch in systematischer Hinsicht) ist auf Grund des Gleichheitsprinzips zu rechnen.- Seitdem Inkrafttreten der Staatszielbestimmung „ethischerTierschutz" (Art. 20a GG) am 1.8.2002 haben die Genehmigungsbehörden ein eigenständiges materielles, also inhaltliches Prüfungsrecht zur Unerlässlichkeit und zur ethischen Vertretbarkeit beantragter Tierversuche (VerwG Gießen, bestätigt durch Hess. VGH), d.h.eine beantragte Genehmigung darf von der zuständigen Behörde nur erteilt werden, wenn die „ethische Vertretbarkeit" (gem. § 7 Abs.3TierSchG) tatsächlich gegeben ist. Die „ethische Vertretbarkeit" von Versuchen der Grundlagenforschung folgt anderen Regeln als die der angewandten Forschung. Der Grundlagenforschung wird pauschal zugestanden,dass geringe bis mäßige Schmerz- bzw. Leidenszufügung noch ethisch vertretbar ist; als ethisch nicht vertretbar gelten deutliche bis schwere Schmerzen oder Leiden. Aktuell wurde im Sommer 2006 in Berlin ein beantragter Primatenversuch der Grundlagenforschung auf Empfehlung derTierversuchs-kommission als „ethisch nicht vertretbar" klassifiziert und nicht genehmigt.

Summary

Animal experiments on non-human primates give cause for ethical concerns for three reasons (1) the inclusion of„ethical animal protection" in the German Con-stitution (Article 20a of the „Grundgesetz" GG,2002) has led to real conseguences for the application process with respect to the use of primates for fundamenta research; (2) the legal reguirements in Europe to ensure animal welfare are cur-rently being tightened and (3) the global problem of the protection of species, especially with respect to the capturing and subseguent sale of primates is still unsolved.As a result of the way humans interpret the termjustice (the principle of eguality) it was to be expected that great apes, being the animals that most closely resemble humans, would play a key role in the establishment of anima protection laws. In 1997, Great Britain and Ireland made it illegal to conduct expe-riments on great apes. In 1999, New Zealand went even further and created a kind of basic rights for great apes. In 2003,The Netherlands forbade animal experi-ments using great apes as did Sweden, which also included gibbons in this ban (which is in line with current taxonomy, which considers gibbons to belong to the family Hominidae). In 2006 Austria forbade experiments carried out on chimpan-zees, bonobos, gorillas, orang-utans,and gibbons. Only recently, a State commissi-on on ethics in Switzerland demanded that the Swiss government do the same. And the summer of 2006 sawa debate in Spain on the inclusion of the protection of great apes in the primary goals of the State. Due to the principle of egualitya further extension (both geographically and systemically) of the exclusion of great apes from animal experiments is to be expected.Since Article 20a GG on„ethica animal protection"came into effect on August 1,2002, the regulatory authorities in Germany have the right to independently check and control animal experiments as to their ethical tenability (Administrative Court Giessen, confirmed by the Administrative Court of the State of Hessia) i.e. an authorization for experiments in the area of fundamental research may only be given by the authorities if the„ethical tenability"(according to Section 7 paragraph 3 oftheGerman Lawon Animal Weifare) is given.The„ethical tenability"of fundamental research experiments follows other rules than those that pertain to applied research. Fundamental research is granted a low to mid-level tolerance of pain and suffering as being ethically tenable; not tenable are stronger or very high doses of pain and suffering. Actually in summer 2006, a proposal for fundamental research using mon-keys was notapproved on recommendation of the Commission on Animal Weifare because it was considered to be„ethically untenable."

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