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Inhaltsverzeichnis

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift

Erfassung und Auswertung von Tierwohl­indikatoren im Rahmen der amtlichen Schlachttieruntersuchung bei Schlachtschweinen zur Optimierung der Tier­gesundheit im Herkunftsbetrieb und zur Anwendung als „Frühwarnsystem“ bei der Fleischuntersuchung

Recording and evaluation of animal welfare indicators in the context of official ante-mortem inspection of slaughter pigs for optimising animal health on farm level as well as post-mortem inspection as “early warning system

Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift 134, 1-10

DOI: 10.2376/1439-0299-2020-35

Eingereicht: 11. September 2020

Akzeptiert: 12. April 2021

Publiziert: 05/2021

Zusammenfassung

In dieser Studie wurde ein im Jahr 2014 entwickeltes Tierwohlbewertungssystem im Rahmen der amtlichen Schlachttieruntersuchung in drei Schweineschlachtbetrieben des Landkreises Cloppenburg in Deutschland verwendet. Zu Beginn der Einführung in Niedersachsen wurde das Tierwohlbewertungssystem über elf Wochen erprobt sowie im Hinblick auf die Praktikabilität und Funktionalität untersucht. Um eine einheitliche Befunderhebung zu erreichen, führten die Autorinnen und Autoren dieser Studie die Schulungen des amtlichen Personals persönlich durch. Es wurden die Erhebungen von 4.859 Erfassungsformularen elektronisch erfasst sowie ein Ampelsystem zur Tierwohlbewertung als Teil eines Benchmarkingsystems entwickelt. Die Einteilung des Ampelsystems in „grüne“ (sehr gute bis durchschnittliche), „gelbe“ (schlechte) und „rote“ (sehr schlechte) Mastbetriebe erfolgte entsprechend der Verteilung der Befunde an den drei Schlachtbetrieben. Gelenkveränderungen, Hautveränderungen, Schwanzverletzungen und Verschmutzungen waren die am häufigsten dokumentierten Befunde. Mit dem in der vorliegenden Studie entwickelten Ampelsystem werden Herkunftsbetriebe anhand von Maluspunkten als „Problembestände“ erkennbar. Einschränkend ist hervorzuheben, dass aufgrund der einmaligen Befunderhebung kurz vor der Schlachtung nur Einschätzungen zur Tiergesundheit und zum Wohlbefinden der Mastschweine in der Endmastphase möglich sind. Durch eine Erhebung von Tierwohlindikatoren ist eine direkte Meldung der für die nachfolgende Fleischuntersuchung relevanten Befunde, eine sich daraus ergebende Optimierung der Fleischuntersuchung sowie eine Risikobewertung der Schlachtschweine desselben Mastbetriebs für spätere Schlachtanmeldungen möglich. 

Im Rahmen der vorliegenden Studie erfolgten die Mitteilungen an die Fleischuntersuchungsstelle insgesamt sehr selten, sodass die Möglichkeiten des Systems nicht im vollen Umfang ausgeschöpft wurden. 

Das vorgestellte Tierwohlbewertungssystem in Verbindung mit dem Ampelsystem stellt sich dennoch als effektives Instrument der amtlichen Schlachttieruntersuchung dar, da durch die zusätzliche Dokumentationspflicht eine größere Aufmerksamkeit beim amtlichen Personal erzielt werden kann. Es hat zudem Potenzial, über das Benchmarking- und Rückmeldesystem sowohl die Tiergesundheit als auch das Wohlbefinden von Mastschweinen kontinuierlich und damit nachhaltig zu verbessern.

Tierwohlindikatoren
Tiergesundheits-/Tierwohlbewertungssystem
Schwein
visuelle Untersuchung
benchmarking

Summary

In this study, an animal welfare assessment system developed in 2014 was used as part of the official ante-mortem inspection in three pig slaughterhouses in the district of Cloppenburg in Germany. At the beginning of the implementation in Lower Saxony, the animal welfare assessment system was tested over eleven weeks and examined with regard to practicability and functionality. In order to achieve a uniform survey of findings, the authors of this study personally conducted the training of the official personnel. The surveys of 4,859 survey forms were recorded electronically and a traffic light system for animal welfare assessment was developed as part of a benchmarking system. The traffic light system was divided into „green“ (very good to average), „yellow“ (poor) and „red“ (very poor) fattening farms according to the distribution of findings at the three slaughterhouses. Joint lesions, skin lesions, tail lesions, and contaminations of the skin were the most frequently documented findings. The traffic light system developed in the present study identifies farms of origin as „problem farms“ on the basis of malus points. It should be emphasized that due to the one-time survey of findings shortly before slaughter, only assessments of animal health and the welfare of the fattening pigs in the final fattening phase are possible. By collecting animal welfare indicators, a direct reporting of the findings relevant for the subsequent post-mortem inspection, a resulting optimization of the post-mortem inspection as well as a risk assessment of slaughter pigs of the same fattening farm for future slaughterings is possible. 
In the context of the present study, notifications to the meat inspection office were very infrequent, so that the possibilities of the system were not fully exploited. 
Nevertheless, the presented animal welfare assessment system in combination with the traffic light system presents itself as an effective tool for official ante-mortem inspection, as the additional documentation requirement can achieve greater awareness among official personnel. It also has potential to improve both animal health and welfare of fattening pigs continuously and thus sustainably via the benchmarking and feedback system.
 

animal welfare indicators
animal health/welfare assessment system
pigs
visual inspection
benchmarking

Einleitung

Aufgrund des ständig wachsenden Interesses der Gesellschaft an der Tierhaltung und der Lebensmittelproduktion werden heute zunehmend Optimierungen bei der Tiergerechtheit, der Tiergesundheit und dem Tierschutz bei der Haltung von Nutztieren eingefordert (Buller et al. 2018, Wadepohl et al. 2019). Hohe Lebensmittelqualität wird für die Verbraucher vorrangig in Zusammenhang mit tiergerechten Rahmenbedingungen in der Nutztierhaltung gebracht (Broom 2010).

Im Zusammenhang mit Optimierungsmaßnahmen wurde die Notwendigkeit erkannt, Tierwohl messbar und damit vergleichbar zu machen (Czycholl et al. 2015). Messung bzw. Bewertung des Tierwohls bietet sich als Instrument für den Vergleich landwirtschaftlicher Tierhaltungen (Whay et al. 2003) an. Eine Implementierung effektiver Tierwohlbewertungssysteme ist für die Verbesserung von Tierwohl und Tiergesundheit unentbehrlich (Can et al. 2017).

In der Vergangenheit basierten die Tierwohlbewertungssysteme fast ausschließlich auf der Erfassung von ressourcenbasierten Indikatoren (Whay et al. 2003). 
Die European Food Safety Authority (EFSA) schlug die Einbeziehung von tierbasierten Indikatoren in die Tierwohlbewertungssysteme vor (EFSA 2012a). Das vom Farm Animal Welfare Council (FAWC) aus Großbritannien entwickelte Prinzip der „Fünf Freiheiten“ basiert ebenfalls auf einer direkten Bewertung des Tierwohls am Tier selbst. Anhand von Tierwohlindikatoren ist es möglich Schlussfolgerungen zum Wohlergehen der Tiere im Herkunftsbetrieb sowie auch Schmerzen, Leiden oder Verletzungen festzustellen (Louton et al. 2018). Die Tierwohlbewertungen im Herkunftsbetrieb stellen eine wichtige Methode zur Beurteilung des Tierwohls landwirtschaftlicher Nutztiere dar (Dalmau et al. 2009). Die Erhebung im Herkunftsbetrieb ist jedoch sehr zeit- und kostenintensiv (van Staaveren et al. 2017). Knage-Rasmussen et al. (2015) schlug daher die routinemäßige Befunderhebung im Rahmen der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung zur Messung des Tierwohls und der Tiergesundheit vor. Die EFSA (2012b) empfiehlt ebenfalls die Einbeziehung der Schlachtbetriebe in die Erhebung von tierbasierten Indikatoren, die das Tierwohl und die Tiergesundheit im Herkunftsbetrieb widerspiegeln. Außerdem können die Tierwohlindikatoren als Benchmarking verwendet werden und den Tierwohl- und Tiergesundheitsstatus in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung anzeigen (Llonch et al. 2015). Durch die Rückmeldung erhobener Tierwohlindikatoren kann den Landwirten ein Überblick über bestehende Haltungs- und Gesundheitsmängel verschafft werden (Llonch et al. 2015).


Top Job:


Die Erhebung der Untersuchungsbefunde bei der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung ist von hoher tiergesundheitlicher Relevanz, da die retrospektive Beurteilung der Befunddaten eine zentrale Rolle bei der Bewertung der Herkunftsbetriebe im Hinblick auf Herdengesundheit und deren Wohlbefinden einnimmt (Sanchez-Vazquez et al. 2011). Von routinemäßig im Schlachtbetrieb erhobenen Befunden treten bei Schlachtschweinen Haut- und Schwanzläsionen am häufigsten auf (EFSA 2012b). Diese definierte van Staaveren et al. (2017) als sogenannte „Eisberg-Indikatoren“. Das FAWC schlug wiederum in seinem Bericht die Verwendung von „Eisberg-Indikatoren“ zur Bewertung des Tierwohls (FAWC 2009) vor. Die vorgenannten Indikatoren (Haut- und Schwanzläsionen) sollten als Frühwarnsystem für das Tierwohl und die Tiergesundheit landwirtschaftlicher Tierhaltungen gelten (FAWC 2009). Zu den weiteren tierbasierten Indikatoren, die im Schlachtbetrieb erhoben werden können, gehören z. B. Gelenkveränderungen, Schleimbeutelentzündungen, Ohrverletzungen und verendet angelieferte Tiere (Bottacini et al. 2018, Dalmau et al. 2016, Velarde und Dalmau 2012).

Die Befunde aus der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung haben das Potenzial, zur Verbesserung des Tierwohls und der Tiergesundheit in landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen beizutragen, indem die Befunde an den Herkunftsbetrieb zurückgemeldet werden und anhand dessen gezielte Handlungen erforderlichenfalls durch die zuständige Veterinärbehörde vorgenommen werden können (Bottacini et al. 2018).

Die Befunderhebung im Rahmen der amtlichen Schlachttieruntersuchung ist bis heute weder durch europäisches noch durch nationales Recht im Hinblick auf zu erhebende Befunde konkret geregelt. Im Erlass „Durchführung der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung beim Hausschwein“ vom 30. März 2015 des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz wurde ein Kriterienkatalog festgelegt, welcher an das zuvor im Jahr 2014 von den Autorinnen und Autoren dieser Studie der Tierärztlichen Hochschule Hannover und dem Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung des Landkreises Cloppenburg entwickelte Tierwohlbewertungssystem angelehnt ist. Dem niedersächsischen Erlass folgend ist das Tierwohlbewertungssystem einheitlich in ganz Niedersachsen anzuwenden. 

In der vorliegenden Studie wird die Nützlichkeit von acht Tierwohlindikatoren (transportbedingte Verletzungen, transportbedingte Verluste, krankheitsbedingte Schlachtverbote, Kümmerer, Gelenkveränderungen, Hautveränderungen, Verschmutzungen und Schwanzverletzungen) für die Bewertung des Wohlergehens und der Tiergesundheit in Mastschweinebeständen im Rahmen der amtlichen Schlachttieruntersuchung untersucht. Die Anwendung dieses Tierwohlbewertungssystems als „Frühwarnsystem“ für die amtliche Fleischuntersuchung wird ebenfalls beleuchtet.

Material und Methode

Vor der Implementierung des Tierwohlbewertungsschemas zur Dokumentation von ausgewählten Tierwohlindikatoren im Rahmen der amtlichen Schlachttieruntersuchung wurden für alle amtlichen Tierärztinnen/Tierärzte und amtlichen Fachassistentinnen/Fachassistenten des Landkreises Cloppenburg von den Autorinnen und Autoren dieser Arbeit Gruppenschulungen durchgeführt. Bildbasierte PowerPoint-Präsentationen mit diversen Fallbeispielen aus der Praxis bildeten die Schulungsgrundlage. Die Teilnehmenden wurden über die auf der europäischen und nationalen Ebene aktuell geltenden Rechtsgrundlagen für die Durchführung der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung informiert. Die Bedeutung der rechtlich zugewiesenen Aufgabe des amtlichen Personals hinsichtlich der Einhaltung der Bestimmungen für das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere sowie der Relevanz der risikoorientierten Bewertung der Untersuchungsbefunde und deren Weiterleitung an die Fleischuntersuchungsstelle, an Landwirte, betreuende Tierärztinnen/Tierärzte und Veterinärbehörde wurde gezielt herausgestellt. Im Weiteren wurden Begriffe wie z. B. „ohne besonderen Befund“ (o. b. B.), „Ordnungswidrigkeit“ und „Straftat“ voneinander abgegrenzt. Darauffolgend wurde das Tierwohlbewertungsschema vorgestellt. Zentraler Inhalt dieser Schulung war die Definition der acht festgelegten Tierwohlindikatoren sowie die Vorstellung des Erhebungsbogens samt der Vor- und Rückmeldungsmöglichkeit an die Position der amtlichen Fleischuntersuchung bzw. an die Mastbetriebe. Die Gründe für deren Erhebung bei der amtlichen Schlachttieruntersuchung wurden vorgestellt und mit fallbezogenen Bildern unterlegt. 

Für die vorgesehene Untersuchung wurden drei Schweineschlachtbetriebe im Landkreis Cloppenburg ausgewählt. Die jährlichen Schlachtzahlen dieser Betriebe lagen im Jahr 2014 bei 600.000 bis zwei Millionen Schlachtschweinen. Der Untersuchungszeitraum vom 2. Juli 2014 bis 18. August 2014 betrug elf Wochen. Insgesamt wurden 627.256 Schlachtschweine entsprechend den Vorgaben des Erlasses einer amtlichen Schlachttieruntersuchung zugeführt, welche an den drei Schlachtstandorten von 32 amtlichen Fachassistentinnen/Fachassistenten und elf amtlichen Tierärztinnen/Tierärzten durchgeführt wurde. In die Auswertung der Ergebnisse wurden nur solche Herkunftsbetriebe aufgenommen, die im Untersuchungszeitraum mindestens 50 Schlachttiere an die drei ausgewählten Schlachtbetriebe geliefert haben. Dabei wurden ausschließlich Mastschweine in diese Studie einbezogen, da das Tierwohlbewertungssystem für Mastschweine und nicht für Zuchttiere entwickelt wurde. In Tabelle 1 sind die Daten, die in dem jeweiligen Schlachtbetrieb für die vorliegende Studie erhoben wurden, zusammengefasst.

Die Befunderhebung erfolgte beim Entladen der Tiere am Schlachtbetrieb sowie anschließend im Wartestall des jeweiligen Schlachtbetriebs durch die amtliche Tierärztin/den amtlichen Tierarzt oder die amtliche Fachassistentin/den amtlichen Fachassistenten.

Das für die Befunderhebung verwendete Erfassungsformular (siehe Anlage 1) bestand aus sechs Kategorien. Das zentrale Element des Formulars bildete die Erfassung der in Kategorie B aufgeführten Tierwohlindikatoren. Folgende Tierwohlindikatoren wurden erhoben: transportbedingte Verletzungen, transportbedingte Verluste, krankheitsbedingte Schlachtverbote, Kümmerer, Gelenkveränderungen, Hautveränderungen, Verschmutzungen und Schwanzverletzungen. In diesem Bewertungssystem werden Abszesse, Schlagstriemen, Kratzspuren sowie Bissspuren unter dem Tierwohlindikator „Hautveränderungen“ zusammengefasst. Der Tierwohlindikator „Gelenkveränderungen“ beinhaltet Gelenkentzündungen, Schleimbeutelentzündungen, Lahmheiten und Liegebeulen. Die ungleichmäßige Bewertung mit 0, 1, 2, oder 5 Maluspunkten für den jeweiligen Tierwohlindikator im Erfassungsformular wurde gewählt, um Ausreißer mit einer besonders hohen Befundhäufigkeit durch die fünf Maluspunkte sicher zu erkennen und maßregeln zu können. Die Gesamtsumme der Maluspunkte wurde für jede Schlachtpartie berechnet. Anschließend wurden die Maluspunkte jeder Schlachtpartie zu einem Gesamtwert für jeden Herkunftsbetrieb über den vorgegebenen Untersuchungszeitraum kumuliert. Um eine größtmögliche Standardisierung innerhalb der Befundungen zu erreichen, wurde in der vorliegenden Untersuchung bei der Erhebung gezielt auf die Einteilung der Tierwohlindikatoren in Schweregrade verzichtet. Da als Ausgangsbasis für die Erhebung dieser Tierwohlindikatoren bei der amtlichen Schlachttieruntersuchung ein makroskopisch gesund erscheinendes Tier definiert wurde, wurde jedes Tier mit Abweichungen in wenigstens einer der drei definierten Kategorien (1, 2 oder 5 Maluspunkt[en]) als „Tier mit einem Befund“ bewertet. Einzig in der Kategorie „Verschmutzungen“ weichen die in dieser Untersuchung angewendeten Grenzwerte für 0 ( 10 %), 1 (10–12 %), 2 (> 12–25 %) und 5 (> 25 %) Maluspunkte(n) teilweise von denen im endgültigen Erlass (0: 0 %, 1: > 0–10 %, 2: > 10–25 %, 5: > 25 %) ab, da für diese Untersuchung ein vorläufiges Auswertungsformular verwendet wurde, das später angepasst wurde. Die oben genannten Grenzwerte zeigen Differenzen hinsichtlich der Häufigkeit auf, mit der verschmutzte Tiere angeliefert wurden.

In einem weiteren Schritt sollten die amtlichen Tierärztinnen/Tierärzte die Entscheidung über die Intensität der sich anschließenden amtlichen Fleischuntersuchung treffen und entscheiden, ob eine visuelle oder gezielt erweiterte Fleischuntersuchung durchgeführt werden soll. Weiterhin sollte die amtlichen Tierärztinnen/Tierärzte zielgerichtete Maßnahmen wie z. B. eine „Verringerung der Schlachtgeschwindigkeit“ veranlassen (siehe Anlage 1).

Aus dem Untersuchungszeitraum wurden insgesamt 7.285 handschriftliche ausgefüllte Erfassungsformulare für diese Studie zur Verfügung gestellt. Anhand der in dieser Arbeit festgelegten Auswahlkriterien (≥ 50 abgelieferte Mastschweine pro Herkunftsbetrieb im Untersuchungszeitraum) erfolgte die Auswertung der Daten jedoch nur anhand von 4.859 Formularen.

Um die Ergebnisse im Rahmen einer deskriptiven Datenanalyse auswerten zu können, wurden die ausgefüllten Formulare im Rahmen dieser Arbeit elektronisch und in pseudonymisierter Form erfasst. Für eine bessere Vergleichbarkeit der Ergebnisse von Beständen mit großen und kleinen Lieferpartien wurde die Berechnung der Maluspunkte jeweils auf 1.000 Tiere hochgerechnet. 

Für das Benchmarking der Herkunftsbetriebe wurde ein Ampelsystem mit Grenzwerten für den grünen, gelben oder roten Bereich entwickelt:

  • grüner Bereich: 0–50 Maluspunkte/1.000 Tiere (Anzeichen für gutes bis durchschnittliches Tierwohl- und Tiergesundheitsniveau)
  • gelber Bereich: 51–99 Maluspunkte/1.000 Tiere (Anzeichen für schlechtes Tierwohl- und Tiergesundheitsniveau)
  • roter Bereich: ≥ 100 Maluspunkte/1.000 Tiere (Anzeichen für sehr schlechtes Tierwohl- und Tiergesundheitsniveau)

Die Grenzwerte für das vorgenannte Ampelsystem wurden so festgelegt, dass mindestens 90 % der Herkunftsbetriebe im grünen Bereich liegen, sodass mit ca. 10 % der schlechteren Bestände gezielt ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess eingeleitet werden kann.

Ergebnisse

Die durchschnittlichen Maluspunkte pro 1.000 untersuchten Schweinen der drei Schlachtbetriebe zeigen deutliche Variationen. Bei der Ergebnisanalyse ist festzuhalten, dass die an Schlachtbetrieb C liefernden Herkunftsbetriebe den niedrigsten durchschnittlichen Maluspunktewert (n = 13) im Vergleich zu den, an die Schlachtbetriebe A (n = 16) und B (n = 17) liefernde Herkunftsbetriebe aufweisen. 

Tabelle 2 stellt die Häufigkeitsverteilung der Tiere dar, die Befunde nach den Kriterien der im Erlass definierten Tierwohlindikatoren aufweisen. Es ist festzuhalten, dass Gelenkveränderungen, Hautveränderungen, Schwanzverletzungen und Verschmutzungen am häufigsten bei Schweinen an allen drei Schlachtbetrieben dokumentiert wurden. Dabei betrug die Summe der vorgenannten Tierwohlindikatoren in jedem Schlachtbetrieb mindestens 80 % aller erfassten Tierwohlindikatoren.
In den Abbildungen 1, 2, 3 und 4 sind die Häufigkeiten für jeden der oben aufgeführten Tierwohlindikatoren innerhalb der drei Schlachtbetriebe dargestellt.

In einem weiteren Schritt wurde der Gesamtwert der Maluspunkte für jeden Herkunftsbetrieb in dem jeweiligen Schlachtbetrieb pro 1.000 Schweine hochgerechnet. Die Ergebnisse sind den Abbildungen 5, 6 und 7 zu entnehmen. Ein Großteil der Herkunftsbetriebe hat während des Untersuchungszeitraums zwischen 0–50 Maluspunkt(en) pro 1.000 Schweine erreicht. Bei Schlachtbetrieb A und B waren es 90 % der Herkunftsbetriebe und bei Schlachtbetrieb C 95 %. In der Abbildung 8 ist die Häufigkeitsverteilung der Tiere, die auffällig für Tierwohlindikatoren im Bereich der 0–50-  Punkte geworden sind, detailliert dargestellt. Bei 32 von insgesamt 381 (8 %) Herkunftsbetrieben bei Schlachtbetrieb A lagen die Gesamtwerte der Maluspunkte zwischen 51 und 99. Bei Schlachtbetrieb B waren es 72 von 980 (7 %) und bei Schlachtbetrieb C 50 von 1.224 (4 %) Herkunftsbetrieben. 

Es gab ebenfalls Herkunftsbetriebe, die die Grenze von 100 Maluspunkten überschritten haben: 2 % (7/381) am Schlachtbetrieb A, 2 % (24/980) am Schlachtbetrieb B, 1 % (13/1224) am Schlachtbetrieb C.

Im Weiteren wurde die Häufigkeitsverteilung der Tierwohlindikatoren innerhalb der zehn Herkunftsbetriebe mit den meisten Tierwohlindikatoren je Schlachtbetrieb analysiert. Die Ergebnisse dazu sind den Abbildungen 9, 10 und 11 zu entnehmen. 

Die Verteilung der Tierwohlindikatoren war sowohl bei diesen zehn als auch bei den restlichen Herkunftsbetrieben analog. Die Auswertung zeigte übereinstimmend drei Tierwohlindikatoren, für die am häufigsten Maluspunkte dokumentiert wurden: Gelenkveränderungen, Hautveränderungen und Schwanzverletzungen. 
Weiterhin wurden die von den amtlichen Tierärztinnen/Tierärzten eingeleiteten Handlungsmaßnahmen in den Dokumentationen näher betrachtet. Anhand der Untersuchungsergebnisse sowie der zur Verfügung gestellten Information zur Lebensmittelkette konnte der/die amtliche Tierarzt/Tierärztin Entscheidungen bezüglich der amtlichen Fleischuntersuchung treffen, erforderliche Maßnahmen einleiten und eventuell die relevanten Informationen an die Fleischuntersuchungsstelle, die Veterinärbehörde und den Tierhalter weitergeben.

Aufgrund der für die Auswertung unvollständigen Datenreihen wurden in der Tabelle 3 nur die „Mitteilungen an die Fleischuntersuchungsstelle“ und „Mitteilungen an den Tierhalter“ erfasst. Die Erhebung dieser Parameter sollte in Form geschlossener Fragen erfolgen. Aus der Tabelle 3 ist ersichtlich, dass die Weiterleitung der erforderlichen Informationen an die Fleischuntersuchungsstelle (121/2079, 6 %) und an den Tierhalter (91/2079, 4 %) am Schlachtbetrieb B mit Abstand am häufigsten stattfand. 

Diskussion

Die Entwicklung von Messinstrumenten zur Bewertung des Tierwohls, die im Schlachtbetrieb Anwendung finden, hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen (Harley et al. 2012b). Die amtliche Schlachttier- und Fleischuntersuchung hat einerseits die Lebensmittelsicherheit zu gewährleisten, kann jedoch auch als grundlegendes Werkzeug für die Überwachung der Tiergesundheit und des Tierwohls genutzt werden (Sanchez-Vazquez et al. 2011). Da das Tierwohl für die Gesellschaft von wachsendem Interesse ist, nimmt die retrospektive Bewertung der Tiergesundheit und des Tierwohls im Schlachtbetrieb eine wichtige Rolle ein (Bottacini et al. 2018). In diesem Zusammenhang wird besonders auf die Nutzung von Schlachtbefunden als Bestandteil von Tierwohlbewertungssystemen verwiesen (Bottacini et al. 2018). 
Anhand der Abbildungen 1–4 ist erkennbar, dass an den drei beteiligten Schlachtbetrieben Gelenkveränderungen, Hautveränderungen, Schwanzverletzungen und Verschmutzungen am häufigsten festgestellt wurden.

Bissspuren können als Folgen von Rangkämpfen während des Transports, besonders bei Transporten von Schlachtschweinen, entstehen (Faucitano 2001). Lange Transporte bzw. lange Fastenzeiten können zu einer gesteigerten Aggressivität der Tiere und folglich zu einer hohen Prävalenz an Biss- und Kratzspuren führen (Correa et al. 2014, Sterten et al. 2009). Daraus kann geschlussfolgert werden, dass Kratz- und Bissspuren das Tierwohl und die Tiergesundheit im Herkunftsbetrieb nicht eindeutig repräsentieren können, da sie entweder im Betrieb (Carroll et al. 2016) oder auf dem Transport (Correa et al. 2014, Sterten et al. 2009) entstanden sein könnten. Lediglich Ohrläsionen (Bottacini et al. 2018) und Abszesse (Teixeira et al. 2016) sind als zuverlässige Tierwohlindikatoren für haltungsbedingte Defizite anzusehen. Für die Ziele des niedersächsischen Erlasses, Tierwohldefizite durch Befundungen am Schlachthof zu erkennen, ist jedoch der Ort der Entstehung nachrangig. 

Pandolfi et al. (2017) definierte Lahmheiten als einen der fünf wichtigsten Tierwohlindikatoren. Lahmheiten können laut Grandin (2017) am effektivsten direkt beim Entladen der Tiere im Schlachtbetrieb erfasst werden. Bei den Lahmheiten wurde auf die Feststellung einer Graduierung oder eines Lahmheitsscores verzichtet, da jede Abweichung im Gangbild mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Schmerzen verbunden ist und somit eine Abweichung für das Tierwohl und die Tiergesundheit darstellt. Schleimbeutelentzündungen, die im Schlachtbetrieb makroskopisch erkennbar sind, können laut Maisano et al. (2020) das Tierwohl und die Tiergesundheit im Herkunftsbetrieb zutreffend widerspiegeln. Generell lässt sich zusammenfassen, dass die retrospektive Erfassung der Gelenkveränderungen im Schlachtbetrieb ein sinnvolles Messinstrument im Hinblick auf die Bewertung der Tiergesundheit im Herkunftsbetrieb darstellt. 

Schwanzverletzungen in Folge von Kannibalismus zählen zu den häufigsten Tierwohl- und Gesundheitsproblemen in der heutigen Schweinehaltung (Valros et al. 2004) und sind vorrangig die Folge von multifaktoriellen Haltungsdefiziten (Sonoda et al. 2013). Die Erhebung von Schwanzverletzungen im Schlachtbetrieb hat in erster Linie einen tierschutzrechtlichen Hintergrund (vom Brocke et al. 2019). Im Vergleich zu der vorliegenden Studien stellten Carroll et al. (2016) und Valros et al. (2004) höhere Prävalenzen zwischen 30 und 35 % an Schwanzverletzungen in Irland bzw. Finnland fest. Allerdings ist hier anzumerken, dass die Schweine in Finnland mit nicht kupierten Schwänzen gehalten werden und die Ergebnisse aus der Studie von Valros et al. (2004) dadurch nur bedingt vergleichbar sind.

Durch die in dieser Arbeit abweichende Definition der Grenzwerte für den Indikator „Verschmutzung“ im Vergleich zu denen aus dem Erlass vom 30. März 2015 wird es in geringem Maße zu Unterschieden bei der Verteilung der 0, 1 und 2 Maluspunkte kommen. Da jedoch die meisten Lieferpartien (Schlachtbetrieb A (94 %), Schlachtbetrieb B (69 %), Schlachtbetrieb C (94 %) für Verschmutzungen 0 Maluspunkte dokumentiert hatten, ergibt sich kein relevanter Unterschied zur Bewertung entsprechend der Grenzwerte des Erlasses. Die unterschiedlichen Grenzwertverteilungen lagen lediglich im Bereich der 1 und 2 Maluspunkte. Allerdings erhielten nur 1 % der Lieferpartien des Schlachtbetriebs A, 2 % des Schlachtbetriebs B und 1 % des Schlachtbetriebs C 2 Maluspunkte, sodass diese Maluspunktverteilung keine gravierende Abweichung von denen im Erlass darstellt.

Dazu ist anzumerken, dass der Befund „Verschmutzungen“ subjektiv interpretierbar ist. Dennoch lassen sich über diesen Tierwohlindikator wichtige Rückschlüsse auf die Haltungsbedingungen der Mastschweine ziehen. Weber et al. (2017) und Savary (2007) stellten z. B. den signifikanten Zusammenhang zwischen den Verschmutzungen der Tiere und den Haltungsbedingungen fest.

Es ist anzumerken, dass die erhobenen Befunde zu den acht Tierwohlindikatoren insgesamt äußerst selten an den Landwirt bzw. an die Fleischuntersuchungsstelle weitergeleitet wurden. Das vorliegende Tierwohlbewertungssystem hat jedoch das Potenzial durch Rückmeldungen von Befunden an die Landwirte auf den langfristigen tiergesundheitlichen Verbesserungsprozess in der Schweinehaltung positiv einzuwirken.
Außerdem wurde eine Korrelation zwischen den erhobenen Befunden von Tierwohlindikatoren und denen aus der Fleischuntersuchung in zahlreichen Studien dokumentiert (Correa et al. 2014, Teixeira et al. 2016). So konnte ein Zusammenhang zwischen dem Vorkommen des Tierwohlindikators Schwanzverletzung und Befunden im Rahmen der Fleischuntersuchung  festgestellt werden (Kritas und Morrison 2007), da es durch die Schwanzverletzungen zu einer aufsteigenden Infektion im Tierkörper (Schroder-Petersen und Simonsen 2001) und in der Folge daraus zu z. B. Abszessen, Pneumonien, Brusthöhlenentzündung kommen kann (Teixeira et al. 2016). 
Die restlichen in dieser Studie untersuchten Tierwohlindikatoren zeigten im Gegensatz zu den vier vorgestellten eine niedrige Prävalenz, sodass deren Bedeutung hinsichtlich der retrospektiven Bewertung der Tiergesundheit nicht abschließend interpretierbar ist.

Aus den Durchschnittswerten der Maluspunkte pro Schlachtbetrieb ist abzuleiten, dass die an Schlachtbetrieb C liefernden Herkunftsbetriebe im Vergleich zu den anderen, den niedrigsten Summenwert von Maluspunkten aufweisen.
Die Verteilung der durchschnittlichen Maluspunkte der drei Schlachtbetriebe zeigte eine deutliche Variationsbreite. Solch eine heterogene Befunddatenverteilung könnte entweder auf eine unstandardisierte Befunderhebung an den drei Schlachtbetrieben oder auf unterschiedliche Tierwohl- und Tiergesundheitsstandards der angelieferten Tiere zurückzuführen sein. Zahlreiche Studien zur Vergleichbarkeit von amtlichen Befundungen im Rahmen der amtlichen Fleischuntersuchung stellten ebenfalls große Unterschiede fest (Eckhardt et al. 2009, Harbers et al. 1992, Schleicher et al. 2013, Schöning 2013). In der Studie von Hoischen-Taubner et al. (2011) wurden vor allem unzureichende Übereinstimmungen zwischen den Befunden der amtlichen Fachassistentinnen/Fachassistenten und den amtlichen Tierärztinnen/Tierärzten festgestellt. 
Um eine hohe Reproduzierbarkeit der amtlichen Befunderhebungen sowohl bei der amtlichen Schlachttier- als auch bei der Fleischuntersuchung zu erreichen, sollten bundesweit einheitliche Schulungskonzepte Anwendung finden. Auf diesem Weg würden verlässliche amtliche Befunde erhoben werden, die optimal vom amtlichen Personal, Lebensmittelunternehmer, Landwirten und Veterinärbehörden genutzt werden können. 

Insgesamt lässt sich für diese Studie nicht eindeutig festlegen, ob eine unstandardisierte Befunderhebung, unterschiedliche Tierwohl- und Tiergesundheitsstandards oder eine Mischform für die Unterschiede der Befundhäufigkeiten an den drei Schlachtbetrieben verantwortlich waren.

Um diese Frage zu beantworten, bedarf es gezielter weiterführender Untersuchungen, in denen z.B. eine Person als standortübergreifender Standard wie bei (Steinmann et al. 2014) fungiert.

Die Weiterleitung der festgestellten Befunde im Rahmen der Schlachttieruntersuchung an die Fleischuntersuchungsstelle bzw. den Landwirt erfolgte nur in 6,24 % bzw. 4,06 % der Fälle. Somit wurden die Möglichkeiten des Systems, die Fleischuntersuchung gezielter durchzuführen bzw. über Rückmeldung die Haltungsbedingungen zu optimieren, nur in geringem Maße genutzt. Um die Weiterleitung und damit den Nutzen der Befunde zu optimieren, könnten entweder sämtliche Befunde jeder Lieferpartie an die Fleischuntersuchungsstelle und den jeweils anliefernden Landwirt zusätzlich zu der Angabe der durchschnittlichen Befundhäufigkeit am Schlachtbetrieb weitergeleitet werden oder man könnte einen Automatismus implementieren, der oberhalb von noch zu definierenden Grenzwerten eine Weiterleitung selbstständig vornimmt. 

Anhand der innerhalb dieser Studie gewonnenen Erkenntnisse ist es mithilfe des vorgestellten Tierwohlbewertungssystems möglich, die tierwohl- und tierschutzrelevanten Befunde bei der Schlachttieruntersuchung zu erheben und zu quantifizieren. Anschließend kann der/die amtliche Tierarzt/Tierärztin je nach angezeigtem Risiko eine gezielt erweiterte Fleischuntersuchung sowie auch Einleitung weiterführender Untersuchungen für „Problembetriebe“ veranlassen. Dadurch können die Veterinärbehörden ihre Kontrollen noch effektiver gestalten, indem sie die Betriebe mit den meisten Tierschutzdefiziten intensiv auch mittels Bestandsuntersuchungen überwachen (Blaha und Richter 2011). Eine über ein in dieser Arbeit eingeführtes Ampelsystem gesteuerte Tierwohlbewertung bietet außerdem dem/der amtlichen Tierarzt/Tierärztin Hilfestellung im Rahmen der Risikoanalyse der Lebensmittelketteninformation. Durch das Ampelsystem werden die Befunde visualisiert und die Einstufung der Herkunftsbetriebe in die Risikoklassen erleichtert. Ein weiteres Ziel dieses Tierwohlbewertungssystems ist die Optimierung der amtlichen Fleischuntersuchung. Durch das Anzeigen der Befunde aus der amtlichen Schlachttieruntersuchung auf Terminals in der Schlachthalle wird das amtliche Personal bei der Durchführung der amtlichen Fleischuntersuchung entsprechend der festgestellten Defizite sensibilisiert. Dies bietet zudem die Möglichkeit, die Partien mit auffällig vielen Tieren, die hinsichtlich der definierten Indikatoren Auffälligkeiten zeigten, einer intensiveren Fleischuntersuchung zu unterziehen. Die gemäß Artikel 39 der Durchführungsverordnung (EU) 2019/627 vorgeschriebenen Rückmeldungen an die Landwirte mit der zusätzlichen Information aus der Schlachttieruntersuchung entsprechend diesem Tierwohlbewertungssystem können ebenfalls zur Verbesserung der Tiergesundheit und deren Wohlbefinden beitragen. In diesem Zusammenhang können die Landwirte geeignete Maßnahmen ergreifen, um die bestehenden Gesundheitsdefizite zu beheben und eine kontinuierliche Prävention dieser zu erzielen (Bottacini et al. 2018). Bei den in vorliegender Studie erhobenen Tierwohlindikatoren handelt es sich um tierbasierte Indikatoren, die das Tierwohl- und Tiergesundheitsstatus in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung besser als die ressourcenbasierten Indikatoren ermitteln (Velarde und Dalmau 2012). Diese besitzen eine große Aussagekraft, da sie eine Interaktion des Tieres mit dessen Umwelt widerspiegeln (EFSA 2005). Solche im Schlachtbetrieb ermittelte Tierwohlindikatoren wie z. B. Hautverletzungen und Abszesse können in Zusammenhang mit den mangelhaften Haltungssystemen gebracht werden (Harley et al. 2012a). Umgekehrt lässt sich durch die gezielten Vorsorgemaßnahmen im Herkunftsbetrieb die Inzidenz von Schlachtbefunden wie Schwanzverletzungen und Hautveränderungen verringern (Bäckström und Bremer 1978, Fraile et al. 2010). Die Anwendung der Tierwohlindikatoren zur retrospektiven Beurteilung der Tiergesundheit sollte vor allem bei den Schweinemastbeständen eine Rolle spielen.

Für die Anwendung des vorgestellten Tierwohlbewertungssystems sollte jedoch eine hohe Validität und Reproduzierbarkeit der Befunddaten gewährleistet sein. Die Nachhaltigkeit der Befundergebnisse ist nur im Zusammenhang mit den fortlaufenden, standardisierten Schulungen des amtlichen Personals gegeben. Solange es jedoch unterschiedliche Schulungskonzepte in den Schlachtbetrieben gibt, ist die schlachtbetriebsübergreifende Vergleichbarkeit der Schlachtbefunddaten nicht realisierbar. 

Ethische Anerkennung 

Die Autoren versichern, während des Entstehens der vorliegenden Arbeit, die allgemeingültigen Regeln guter wissenschaftlicher Praxis befolgt zu haben. 

Interessenkonflikt 

Die Autoren versichern, dass keine geschützten, beruflichen oder anderweitigen persönlichen Interessen an einem Produkt oder einer Firma bestehen, welche die in dieser Veröffentlichung genannten Inhalte oder Meinungen beeinflussen können. 

Finanzierung 

Diese Arbeit wurde finanziell nicht unterstützt. 

Autorenbeitrag 

Konzeption oder Design der Arbeit: DM, K-W P, H-P P, DB.
Datenerhebung -analyse und –interpretation: AK, DM, K-W P, H-P P, DB.
Manuskriptentwurf: AK.
Kritische Revision des Artikels: DM, K-W P, H-P P, DB, AK.
Endgültige Zustimmung der für die Veröffentlichung vorgesehenen Version: AK, K-W P, H-P P, DB, DM.

Korrespondenzadresse

Diana Meemken
Freie Universität Berlin
Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene, AG Fleischhygiene
Königsweg 67
14163 Berlin
diana.meemken@fu-berlin.de

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