Der Praktische Tierarzt 89, 668-673
© Schlütersche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG. 2008
Publiziert: 08/2008
Zusammenfassung
Zum Auftreten neuer Infektionskrankheiten gehören zwei Voraussetzungen: erstens bisher unbekannteErreger, zweitens neu nachgewiesene Überträger. Beides sind die Folgen von erstens klimatischenVeränderungen, zweitens kurzfristigen globalen Transporten und drittens Schmuggel. Als damit verbundenesProblem stellt sich die Differenzialdiagnostik: a) Erkennen der „neuen“ klinischen Symptome und b)Etablierung der Labornachweise.
Das Vordringen neuer Infektionskrankheiten in zuvor freie Regionenist kein neues Phänomen; nur wird ihm in der Neuzeitaufgrund der Erfassbarkeit und Diagnostik mehr Aufmerksamkeitgewidmet. Es gibt auch Beispiele für das Aussterben oder Verdrängenvon bedeutenden Infektionskrankheiten. In der Humanmedizinsind Pocken und Poliomyelitis die bekanntesten Beispiele, inder Veterinärmedizin Rinderpest und zumindest in vielen Länderndank erfolgreicher Bekämpfungsmaßnahmen die Brucellose derRinder. Die Tuberkulose allerdings, die bereits als fast ausgestorbenbetrachtet wurde, rückt neuerdings wieder ins Blickfeld.
Es sind jedoch nicht nur die mikrobiellen Erreger und ihreÜberträger, sondern häufig zahlreiche Tierarten und mit ihnenneue Erreger, die Länder- und kontinentale Grenzen überschreiten,allen voran fremde Wassertiere und Vogelarten aus wärmerenGefilden. Ein Musterbeispiel dazu bietet der Bodensee, wo in denletzten zehn Jahren neue Fische, Krebse und Muscheln samt ihrenKrankheiten nachgewiesen wurden. Sie kamen beispielsweise überden Rhein-Donau-Kanal und den Rhein. Beispiele in der Veterinärmedizinsind das Verschleppen des ursprünglich aus Afrikastammenden West-Nil-Virus durch wahrscheinlich illegale Einfuhrinfizierter Vögel 1999 nach Nordamerika, wo es sich in Pferdenstark ausbreitete (Straub 2007) und jetzt das Auftreten der Pferde-Influenza in Australien.