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Der Praktische Tierarzt

Die tiefen Atemwege des Pferdes im Rahmen der Kaufuntersuchung - gibt es Befunde ohne besondere klinische Beeinträchtigung ?

Der Praktische Tierarzt 84, 596-602

Publiziert: 07/2003

Zusammenfassung

Allen am Kaufvertrag beteiligten Parteien sollte bewusstsein, dass mit den im Rahmen der Kaufuntersuchungdurchgeführten klinischen Untersuchungen geringgradigeErkrankungen im Bereich der tiefenAtemwege des Pferdes nicht mit Sicherheit ausgeschlossenwerden können. Die eigenen Untersuchungen belegen,dass selbst bei 11 % der Patienten, die eindeutig untereiner erheblichen chronischen Bronchitis leiden (n =80), die Erkrankung durch Auszählung der Ruhe-Atemfrequenz,Atemtyp-Beurteilung und Lungenauskultationnicht erkannt worden wäre. Bei alleiniger Auszählungder Atemfrequenz wären 30,0 % der Patienten nicht aufgefallenund bei alleiniger Beurteilung des Atemtyps hätten22,5 % als unauffällig gegolten. Die Lungenauskultationist in dieser Studie zwar als die sensitivsteUntersuchungsmethode anzusehen: physiologischeAuskultationsbefunde wurden lediglich bei 3,75 % derPatienten erhoben. Allerdings muss berücksichtigt werden,dass die Untersucher aufgrund des ihnen bekanntenVorberichtes wenig geneigt sein dürften, die naturgemäßhoch subjektiv zu beurteilenden Auskultations-Befunde als physiologisch zu klassifizieren. Alsauskultatorisch unauffällig und geringgradig vesikulärverschärft wurden insgesamt 30 Pferde beurteilt – d. h.37,5 % der Patienten. Die Zusammenstellung ist ein Versuch,mit Daten zu belegen, wie wenig sensitiv unsereklinischen Möglichkeiten der Beurteilung der tiefenAtemwege sind. Wenn klinisch wahrnehmbare Symptomeauftreten, muss aus pathophysiologischen Gründenangenommen werden, dass schon ein sehr großer Anteilder Bronchioli erkrankt ist. Daher muss auch davon ausgegangenwerden, dass schon bei als geringgradig bewertetenBefunden an den tiefen Atemwegen die Leistungsfähigkeitdes zu kaufenden Pferdes beeinträchtigtist. Dabei ist natürlich nicht gesagt, dass es die von ihmgeforderte Leistung nicht erbringen kann. Beim Verkaufeines Pferdes mit geringgradigen Symptomen einer COBmuss letztlich der über die Art und Verbreitung der Erkrankungaufgeklärte potenzielle Käufer für sich die Entscheidungtreffen, ob er das Pferd nicht dennoch in demvon ihm beabsichtigten Sinn nutzen kann und will undob er bereit ist, entsprechende Haltungs- und Managementmaßnahmendurchzuführen. Aufgrund unvorhersehbarer,individueller Krankheitsverläufe sollte sich derTierarzt allerdings nicht zu einer Prognose im Einzelfallverleiten lassen. Der medizinisch sicher richtige Hinweisdarauf, dass viele Pferde mit einer chronischen Bronchitissehr wohl leistungsfähig und nutzbar sind und unterentsprechenden Haltungs- und Fütterungsbedingungenauch jahrelang bleiben können, birgt rechtlich ein gewissesRisiko, dass Ansprüche des Käufers gegenüber demTierarzt erhoben werden. Das Ziel einer „Kaufuntersuchung“sollte lediglich darin bestehen, den gesundheitlichenZustand des betreffenden Tieres zum Untersuchungszeitpunktzu erfassen (mittels eines „üblichen“Maßes an Untersuchungstechniken) und zu dokumentieren.Auf dieser Grundlage sollten sich Käufer und Verkäufereinigen können; hoffentlich im Bewusstsein, dasskeine als einwandfrei zu definierende Sache, sondern einnaturgemäß niemals garantiert gesundes Lebewesen denBesitzer wechseln soll.

 

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