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Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen die anhaltende Ausbreitung von D. reticulatus über ganz Deutschland.

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Die räumliche Verteilung von Dermacentor-Zecken in Deutschland 

Die zunehmende Ausbreitung von D. reticulatus, dem Überträger der caninen Babesiose, ist von großer Bedeutung. Hundebesitzer sollten daher adäquat über das Vorkommen der Zecken und Maßnahmen zur Prophylaxe informiert werden. 

  • 2019 gab es Hinweise auf eine Ausbreitung von Dermacentor reticulatus in Deutschland.
  • Das Institut für Parasitologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover bat daraufhin um Einsendung ungewöhnlich aussehender Zecken.
  • Dermacentor reticulatus wurde auch in Regionen im Norden Deutschlands gefunden, in denen die Art bisher nicht verbreitet war. Sowohl Dermacentor reticulatus als auch Dermacentor marginatus traten das ganze Jahr über auf.

Einleitung

Zecken der Gattung Dermacentor sind in Europa durch zwei Arten vertreten: durch Dermacentor marginatus, die Schafzecke, und Dermacentor reticulatus, die Wiesenzecke, welche früher auch als Auwaldzecke bezeichnet wurde.

D. marginatus kommt vor allem in südlicheren Regionen Europas, in Steppen, auf Weideland und in lichten Wäldern vor. In Deutschland ist die Zecke in der Rheinebene heimisch. D. reticulatus ist in nördlicheren Regionen verbreitet und lebt in unterschiedlichen Habitaten wie Weideland, lichtem Wald, Heidelandschaft, Marschland und Brachland.


Top Job:


Juvenile Stadien beider Zeckenarten befallen fast ausschließlich Nagetiere. Wirte adulter Zecken sind größere Säugetiere, wie Schafe, Hunde, Pferde, Ziegen und Rinder.

D. reticulatus und D. marginatus spielen eine große Rolle in der Tiermedizin als Überträger verschiedener Erreger. Die Zecken sind Vektoren für Protozoen, nämlich Piroplasmen. Babesia canis, der Erreger der caninen Babesiose, wird von D. reticulatus übertragen. Beide Zeckenarten sind Vektoren der Erreger der equinen Piroplasmose. Auch das FSME-Virus kann von D. reticulatus übertragen werden. Dermacentor spp. sind außerdem Vektoren für Rickettsia slovaca, R. raoultii, Francisella tularensis und Coxiella burnettii.

In ersten Untersuchungen 1976 wurde D. marginatus entlang des Rheins und Mains gefunden. D. reticulatus kam hingegen nur selten vor, in einzelnen Regionen wie einem Wald in der Nähe von Tübingen oder in der Gegend von Potsdam.

In den letzten 50 Jahren wurde jedoch eine beträchtliche Ausbreitung von D. reticulatus in verschiedenen europäischen Ländern beobachtet.

2019 gab es Hinweise auf eine weiter zunehmende Verbreitung in Deutschland. Das Ziel der Studie war, die Verteilung von D. reticulatus und D. marginatus unter Einbezug der gesamten Bundesrepublik zu untersuchen.

Für Hunde ist eine ganzjährige Zeckenprophylaxe unbedingt zu empfehlen

Die Redaktion der Kleintierpraxis hat mit Prof. Dr. Christina Strube, Universitätsprofessorin und Direktorin des Instituts für Parasitologie der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, über die zunehmende Ausbreitung gesprochen.
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Material und Methoden

Im Februar und März 2019 wurden zwei Zecken der Art D. reticulatus auf Hunden in Hannover und 75 km entfernt von Hannover, in Claustal-Zellerfeld, gefunden und an das Institut für Parasitologie der Tierärztlichen Hochschule Hannover geschickt. Dies sind Gegenden, in denen die Zecken bisher nicht vorkamen. Daraufhin wurden Tierärzte und Bürger im Deutschen Tierärzteblatt, in anderen Printmedien und in sozialen Medien dazu aufgefordert, Dermacentor-Zecken oder ungewöhnliche Zecken zu schicken. Zusätzlich sollten die Bürger Daten zu Fundort und -umständen mitteilen.

Die Zecken wurden anhand morphologischer Merkmale identifiziert und deren Fundort kartiert, wobei nur solche Zecken in die Karten aufgenommen wurden, deren Fundort mit hoher Wahrscheinlichkeit dem tatsächlichen Zeckenvorkommen entsprach.

Ergebnisse

Zwischen Februar 2019 und Februar 2020 wurden 3.902 Zecken der Gattung Dermacentor eingeschickt. Darunter waren 3.287 (84 %) Zecken der Art D. reticulatus und 604 (15 %) Zecken der Art D. marginatus. Elf Zecken konnten nicht zugeordnet werden. Das Verhältnis zwischen Männchen und Weibchen war bei D. reticulatus 1:1. Bei D. marginatus überwog der Anteil der Weibchen leicht.

D. reticulatus wurden aus jedem Bundesland bis auf Hamburg eingesandt, D. marginatus nur aus sechs Bundesländern (Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland). Verglichen mit früheren Untersuchungen von 2007 und 2016 wurde D. reticulatus in mehreren zusätzlichen Regionen gefunden, vor allem im Norden Deutschlands. Die Verteilung von D. marginatus war vergleichbar mit früheren Daten.

Beide Dermacentor-Arten traten das ganze Jahr über auf. Die meisten D. reticulatus wurden im September und Oktober 2019 gefunden, ein kleinerer Peak zeigte sich im März und Mai 2019 und Februar 2020. D. marginatus kamen am häufigsten im März 2019 und Februar 2020 vor.

Die Mehrheit der Zecken wurde krabbelnd auf oder angeheftet an einem Wirt entdeckt. Die befallenen Tiere waren vor allem Hunde (40 %) und Pferde (20 %), wobei D. reticulatus häufiger bei Hunden vorkam und D. marginatus häufiger bei Pferden. Beide Arten fanden sich auch auf Menschen (D. reticulatus 4 %, D. marginatus 13 %), aber nur bei einem kleinen Anteil kam es auch zu einem Zeckenstich (D. reticulatus 0,4 %, D. marginatus 1,7 %).

Diskussion

Eine kontinuierliche Ausbreitung von D. reticulatus wurde in verschiedenen europäischen Ländern beobachtet. Dies führen Experten auf den Klimawandel, Veränderungen der Landnutzung, Reisen von Menschen und Haustieren und einem Anstieg verfügbarer Wildtierwirte zurück. Die Ergebnisse dieser Untersuchung bestätigen die anhaltende Ausbreitung von D. reticulatus über ganz Deutschland. Die räumliche Verteilung von D. marginatus hat sich hingegen kaum geändert, es zeigte sich aber eine leichte Ausbreitungstendenz nach Norden.

D. reticulatus wurde meistens bei Hunden gefunden, D. marginatus wurde vor allem von Pferdebesitzern eingeschickt. Der Hauptwirt von D. marginatus sind Huftiere, besonders Schafe. Dass keine Zecken von Schafen eingeschickt wurden, liegt möglicherweise daran, dass Hunde- oder Pferdebesitzer die Dermacentor-Zecken eher als ungewöhnlich einstufen als Schafhalter bzw. Zecken in der dichten Wolle der Schafe leichter übersehen werden.

Die Ausbreitung von D. reticulatus, dem Überträger der caninen Babesiose, ist von großer Bedeutung für Tierärzte und Hundebesitzer – vor allem im Hinblick auf mögliche Babesioseausbrüche und Endemisierung in bisher babesiosefreien Gegenden. Tierärzte und Tiermedizinstudenten müssen über die neue Situation informiert werden, um Hundebesitzer adäquat über das Vorkommen der Zecken und Maßnahmen zur Prophylaxe informieren zu können. 

Mehr zum Thema

Die Redaktion der Kleintierpraxis hat ein Interview mit Prof. Dr. Christina Strube zur Ausbreitung der Dermacentor-Zecken geführt.

Originalpublikation

Drehmann M, Springer A, Lindau A, Fachet K, Mai S, Thoma D, Schneider CR, Chitimia-Dobler L, Bröker M, Dobler G, Mackenstedt U, Strube C (2020): The Spatial Distribution of Dermacentor Ticks (Ixodidae) in Germany—Evidence of a Continuing Spread of Dermacentor reticulatus. Front Vet Sci 7: 578220.

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