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Neue GOT: Für die Preiskalkulation sollten Praxisinhaberinnen und - inhaber ihr individuelles Umsatzpotenzial kennen.
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Neue GOT: Für die Preiskalkulation sollten Praxisinhaberinnen und - inhaber ihr individuelles Umsatzpotenzial kennen.

Tierärztegebührenordnung

Die neue GOT in der Praxis

Seit dem 22. November gilt die neue Tierärztegebührenordnung. Wie wird sie in den Praxen umgesetzt? Das Tierarztbarometer hat nachgefragt.

  • Eine Umfrage des Instituts für Veterinärökonomie und Praxismanagement zeigt: Rund 70 Prozent der Teilnehmer halten die Preise der neuen GOT für angemessen.
  • Insbesondere die organisatorische Umsetzung der neuen GOT hält die Praxen momentan in Atem. Doch  auch betriebswirtschaftlich wird die neue Tierärztegebührenordnung große Auswirkungen haben. 
  • Für die Preisgestaltung empfiehlt sich daher eine Analyse der praxiseigenen Kosten- und Personalstrukturen.

Dirk Brennecke, Unternehmensberater in der IVP Unternehmensberatung GmbH

Erstmals seit nunmehr 23 Jahren erfolgte eine grundlegende Überarbeitung der tierärztlichen Gebührenordnung. Im Leistungskatalog wurden viele Bezeichnungen geändert, zahlreiche Leistungen sind hinzugekommen und einige weggefallen. Auch die Bepreisung der einzelnen Leistungsparameter hat sich geändert. Zudem können nach § 8 der GOT Leistungen in Ansatz gebracht werden, die nicht im Gebührenverzeichnis enthalten sind. In solchen Fällen sollen Gebührensätze zur Anwendung kommen, die für gleichwertige Leistungen vorgesehen sind. Schließlich sind neben Einzelleistungen auch Standardbehandlungen wie z. B. die Kastration eines Tieres zu kalkulieren.

Individuelle Preiskalkulation in der Tierarztpraxis


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Die Umsetzung der neuen GOT war bis zum 22. November 2022 vorzunehmen. In diesem Zusammenhang stellt sich in erster Linie die Frage, wie die neuen Leistungen und Standardbehandlungen heißen und was sie kosten sollen. Pauschal ist das nicht zu beantworten, da sich die Leistungskataloge von Tierarztpraxis zu Tierarztpraxis mitunter sehr unterscheiden.

Unter organisatorischen Gesichtspunkten ist zunächst das aktuelle Leistungsportfolio zu klären, d. h. wie wurden die Leistungen in der Vergangenheit bezeichnet und wie sollen sie in Zukunft heißen? Eine automatisierte Zuordnung gestaltet sich umso schwieriger, je mehr Leistungen im Laufe der Zeit entstanden und je größer die Abweichungen zu den ursprünglichen Bezeichnungen der alten GOT sind.

Nicht immer wissen Praxisinhaberinnen und -inhaber, welche Leistungsparameter sich im Repertoire befinden und wie diese tatsächlich abgerechnet werden. Wird beispielsweise anstelle der Folgeuntersuchung bei Hund und Katze eine „Kontrolle“ abgerechnet, die nicht im Gebührenverzeichnis der GOT enthalten ist und zusätzlich im Durchschnitt noch 5 Euro netto weniger kostet, können pro Jahr ein paar Tausend Euro Umsatzverlust entstehen.

Das vom BMEL in Auftrag gegebene Forschungsvorhaben „Prüfung der finanziellen und strukturellen Auswirkungen hinsichtlich der Angemessenheit der Gebührensätze für Tierärzte (GOT)“ geht von Praxiskosten pro Minute in Höhe von 2,27 € bei Einzelpraxen 2,14 € bei Gemeinschaftspraxen aus. Je nach fachlicher Ausrichtung und dem Spezialisierungsgrad einer tierärztlichen Einrichtung können jedoch erhebliche Unterschiede in den Kostenstrukturen bestehen. Es ist klar, dass in Abhängigkeit von der Immobilie, der Praxis- und Geräteausstattung sowie der fachlichen Qualifikation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterschiedlich hohe Kosten entstehen. Eine adäquate Preispolitik kann somit nur nach individueller Betrachtung potenzieller Umsätze und der individuellen Kostenstruktur erfolgen.

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Inflation und steigende Personalkosten

Erschwert wird die Ableitung einer adäquaten Preispolitik durch eine steigende Inflation im Unternehmen Tierarztpraxis und im Unternehmen Privathaushalt, d. h. im Bereich der privaten Finanzplanung der Praxisinhaberinnen und -inhaber. Darüber hinaus ergeben sich Änderungen im Bereich der Personalkosten. Der seit dem 01. Oktober 2022 geltende Tarifvertrag für Tiermedizinische Fachangestellte sieht signifikante Lohnerhöhungen in den unterschiedlichen Tarifgruppen der nicht-tierärztlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Auszubildenden vor. Die Lohnerhöhungen im nicht-tierärztlichen Bereich sind auch den angestellten Tierärztinnen und Tierärzten bekannt und werden früher oder später auch dort zu einer höheren Erwartungshaltung hinsichtlich der Entlohnung führen.

In diesem Zusammenhang sollte eine Personalstrukturanalyse durchgeführt werden, die die wesentlichen Parameter hinsichtlich des Personalstandes, der Betriebszugehörigkeit, der individuellen Qualifikation, der ausgeführten Tätigkeiten sowie der zukünftigen Entlohnung beinhaltet. Nur so können die zukünftigen Personalkosten prognostiziert werden.

Neue Tierärztegebührenordnung: GOT-Umfrage 2022

Mit der Umsetzung der neuen GOT sind vielfältige Fragestellungen verbunden, die nicht allgemeingültig zu beantworten sind. Aus diesem Grund hat das Tierarztbarometer des Institut für Veterinärökonomie und Praxismanagement (IVP Unternehmensberatung und -akademie) eine Umfrage durchgeführt. Neben dem allgemeinen Erkenntnisgewinn stand die Sensibilisierung der handelnden Personen für betriebswirtschaftliche Sachverhalte im Fokus der Betrachtung, die sowohl das Unternehmen Tierarztpraxis als auch das Unternehmen Privathaushalt betreffen.

An der Umfrage haben im Herbst 2022 363 tierärztliche Unternehmen teilgenommen. Hinsichtlich der fachlichen Ausrichtung waren mit 72 Prozent die Kleintierpraxen am häufigsten vertreten. Gemischtpraxen machten einen Anteil von 18 Prozent aus. Pferdepraxen waren mit neun Prozent und Nutztierpraxen mit einem Prozent dabei. Bei der Unternehmensform und der Art und Weise der Berufsausübung dominierten die tierärztlichen Praxen mit rund 92 Prozent. Im Hinblick auf die Form der Berufsausübung dominierte die Rechtsform des Einzelunternehmens mit 83 Prozent.

Die Einteilung in vier verschiedene Umsatzgrößenklassen zeigte, dass rund 41 Prozent der befragten tierärztlichen Unternehmen einen durchschnittlichen Nettoumsatz pro Jahr von bis zu 250.000 Euro erwirtschaften. Seitens der Bundestierärztekammer wird in dem aktuellen Informationsblatt für Tierbesitzer zur „Anpassung der Gebührenordnung für Tierärztinnen und Tierärzte (GOT)“ von Praxiskosten gesprochen, die bis zu 75 Prozent des Umsatzes betragen können. Selbst bei einem Umsatzvolumen von 250.000 Euro bliebe bei der vorgenannten Kostenquote lediglich ein Betriebsergebnis von 62.500 Euro vor Steuern übrig.

Abrechnungsniveau: 1- bis 4-facher Satz

Im Allgemeinen führt nicht das Optimieren von Praxiskosten zum wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens Tierarztpraxis. Entscheidend ist ein vollumfängliches und adäquates Abrechnen der erbrachten Leistungen. Nach wie vor besteht der Abrechnungsspielraum durch die Anwendung des 1- bis 3-fachen Satzes der GOT während der normalen Sprechzeiten. Not- und Wochenenddienste können auch nach den Regelungen der neuen GOT bis zum 4-fachen Satz abgerechnet werden.

Einen Überblick über das derzeitige Abrechnungsniveau unter Berücksichtigung der Umsatzgrößenklassen liefert die Tabelle. Im Durchschnitt wurde bisher zum 1,6-fachen Satz der GOT abgerechnet.

Von besonderer Bedeutung ist die Frage nach der Umsetzung der neuen Gebührenordnung. Lediglich 21 Prozent der Unternehmen werden das derzeitige Abrechnungsniveau auf die neue GOT übertragen. Dagegen beabsichtigen rund 68 Prozent der Praxen, die Preise entweder unverändert zu lassen oder Anpassungen vorzunehmen, die das Abrechnungsniveau z. B. vom 1,6-fachen Satz auf den 1,2-fachen Satz sinken lassen.

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Einflussfaktoren auf die Preisgestaltung

Im Rahmen der Umfrage wurde festgestellt, dass die Kaufkraft im Einzugsgebiet der Praxis die Preisgestaltung beeinflusst. Rund 58 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben angegeben, dass sie bei der Preisgestaltung die Kaufkraft berücksichtigen.

Erstaunlicherweise haben 43 Prozent der Praxen bekundet, nicht vom Abrechnungsniveau der Nachbarpraxen beeinflusst zu werden. Die Erfahrungen aus dem Beratungsalltag spricht bei diesem Einflussfaktor eine andere Sprache: Nahezu 90 Prozent der Praxen rechtfertigen eine defensive Preisgestaltung in der Beratung mit dem Preisniveau des Wettbewerbs.

Vergleichsweise unbeeindruckt zeigen sich die Umfrageteilnehmerinnen und -teilnehmer bei der Abrechnung, wenn es um den Wert des behandelten Tieres, die Kritik des Patientenbesitzers oder die Kritik in sozialen Medien geht.

Fazit

Rund 70 Prozent der Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber halten die neuen Preise der GOT 2022 für angemessen. In diesem Zusammenhang gehen 64 Prozent von signifikant höheren Umsatz- und Gewinnpotenzialen aus. 35 Prozent der Befragten vermuten einen Rückgang der Nachfrage, der dazu führen könnte, dass Umsatz- und Gewinnpotenziale nicht realisiert werden können. Dass die neue GOT zur Steigerung der Attraktivität einer Tierarztpraxis beitragt, wird von 34 Prozent angenommen. Nahezu 60 Prozent der Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber sehen einen Zusammenhang zwischen möglicher Steigerungen des Entlohnungsniveaus und einer zunehmenden Attraktivität des Berufes.

Viele Praxisinhaberinnen und Praxisinhaber beschäftigen sich vornehmlich mit der organisatorischen Umsetzung der neuen Gebührenordnung. Dabei werden die einzelnen Leistungen des individuellen Leistungskataloges überarbeitet und mit neuen Bezeichnungen und Preisen versehen. Die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen auf die Umsatz- und Gewinnsituation sind den meisten jedoch nicht bekannt. Sinnvoll ist eine Vergangenheitsanalyse, um bereits gemachte Fehler aufzudecken und Umsatzpotenziale für die Zukunft identifizieren zu können. Dabei können unterschiedliche Szenarien zugrunde gelegt werden, die auch Nachfrageveränderungen berücksichtigen sollten. Erst wenn betriebswirtschaftliche Zusammenhänge transparent und nachvollziehbar sind, kann sich ein gutes Gefühl für die Angemessenheit der zukünftigen Preise entwickeln.

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