Image
Vier Ohren: Ein besonders beliebtes Bild in Dr. Carsten Vogts Fotoausstellung zeigt nicht Pferde, sondern – Esel. 
Foto: Carsten Vogt
Vier Ohren: Ein besonders beliebtes Bild in Dr. Carsten Vogts Fotoausstellung zeigt nicht Pferde, sondern – Esel. 

Porträt: Dr. Carsten Vogt

Der Tierarzt, dessen Fotos das Absurde im Alltag zeigen

Dr. Carsten Vogt kam zur Pferdezahnheilkunde, als das Gebiet in Deutschland noch neu war. Daneben hat er ein künstlerisches Hobby: die Fotografie.

Wenn Dr. Carsten Vogt etwas beginnt, dann macht er es auch ganz. Keine halben Sachen – das wäre, würde man nach einer Einstellung zum Leben und Arbeiten suchen, die für den 51 Jahre alten Tierarzt aus Ottersberg bei Bremen typisch ist, wohl ein Motto, auf das man schnell kommen würde. „Keine halben Sachen“ galt schon für den Schüler Carsten Vogt aus dem Sauerland, der sich mit 16 endgültig entschied, Tiermedizin zu studieren, fest dabeiblieb und bis zum Abitur in seiner Freizeit mit einem Nutztierpraktiker über Dörfer und Höfe fuhr. „Dieses ewige Hin-und-her-Springen, dieses Sich-nie-Festlegen, das ist nichts für mich“, sagt Vogt heute. Diese Einstellung trieb Vogt auch an, als er Mitte der 1990er-Jahre als Student an der Tierärztlichen Hochschule Hannover den Hilfskraftjob in der Rinderklinik, den er gern wollte, nicht bekam – wohl aber die Stelle als Bremser in der Pferdeklinik. Und damit das keine halbe Sache wurde, blieb Vogt einfach dabei und spezialisierte sich auf Pferde.

Vogts Wunsch, Dinge im Ganzen zu erfassen und Kompetenzen immer bis zum höchstmöglichen Kenntnisstand weiterzuentwickeln, brachte ihn bald nach dem Berufseinstieg schließlich auch zu der Spezialisierung, für die er bekannt ist: zur Pferdezahnheilkunde. „Ich arbeitete Anfang der 2000er-Jahre an der Tierklinik auf der Trabrennbahn in Gelsenkirchen“, blickt Vogt zurück. „Eine Pferdebesitzerin rief mich, um die Zähne ihres Pferdes zu behandeln.“ Wenige Tage nach der Behandlung rief die Besitzerin Vogt an und sagte, das Kopfschlagen beim Reiten sei nicht besser geworden. „Ich sagte dann etwas, was viele Tierärzte in solchen Situationen sagen“, erinnert sich Vogt: „Dann kann es an den Zähnen nicht liegen, denn die Zähne habe ich ja gemacht.“ Heute bilanziert er: „Also klassischer Selbstbetrug.“ Wieder ein paar Tage später meldete sich die Pferdebesitzerin erneut und berichtete: „Jetzt war ein Pferdedentist aus Holland da und das Pferd läuft wie ’n Glöckchen.“

Begeisterung für Pferdezahnmedizin


Top Job:


Das interessierte Vogt, der Sache wollte er auf den Grund gehen. Er traf sich mit dem Spezialisten aus dem Nachbarland bei dem Patientenpferd und kann noch heute – mit bewusst kehligem niederländischem Akzent – erzählen, was der ihm erklärte, während sie das Gebiss des Tieres inspizierten: „Hier, hier und hier, das musst du alles kürzer machen.“ Vogts Begeisterung für das Gebiet war geweckt, erst recht, als er auch einem weiteren Zahn-Experten in Süddeutschland, dem Tierarzt und Pferdedentalpraktiker Dr. Axel Soulier, einen Besuch abstattete und sich dessen Arbeit zeigen ließ. Der Kollege gab Vogt den Tipp, sich in Idaho an der Academy of Equine Dentistry zum „Certified Equine Dentist“ zu qualifizieren.

Heute ist Vogt als Pferde-Zahnspezialist über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt. 2002 hatte er in der niedersächsischen Tierarztpraxis Ottersberg angefangen und sein damaliger Chef entschied, dass der Lehrgang in den Vereinigten Staaten eine gute Investition sei. Schon bald nach seinem Abschluss dort begann Vogt, in Deutschland Vorträge zu dem damals noch neuen Thema zu halten, erwarb die Zusatzbezeichnung Zahnheilkunde beim Pferd, schließlich die Weiterbildungsermächtigung und weitere Qualifikationen auf dem Gebiet. Außerdem wurde er 2012 Herausgeber des bedeutenden Fachbuchs „Lehrbuch der Zahnheilkunde beim Pferd“. Auch hierzu gibt es eine Geschichte, die zeigt, wie wichtig das konsequente Abschließen offener Fragen für Carsten Vogt ist. Ein Berufskollege rief ihn nach Erscheinen des Buches an und warnte vor der Strahlengefahr für die Behandelnden beim Röntgen mit Handgeräten, wie es im Buch beschrieben ist. Vogt nahm Kontakt zum Bundesamt für Strahlenschutz auf, ließ einen typischen Röntgenvorgang an einem Pferdekopf aus der Berliner Anatomie nachstellen und die Strahlenbelastung messen. Ergebnis: Die Gefahr war gering, die Angelegenheit nun auch wissenschaftlich betrachtet worden.

Tierärztliche Hilfe in Ostrumänien: "Kein Blümchen-Tierschutz"

Pferde auf die Weide, Hunde von der Kette und Kinder in die Schule − dafür setzt sich das Tierschutzprojekt Equiwent in Rumänien ein.
Artikel lesen

Ausstellung im Pferdemuseum Verden

Im Jahr 2007 war Vogt als Teilhaber in die Tierarztpraxis Ottersberg eingestiegen. „In Ottersberg ist man schon immer eigene Wege gegangen, fachlich und in Sachen Mitarbeiterführung“, sagt Vogt. Seit fünf Jahren werden beispielsweise die Arbeitszeiten in der Praxis mit 60 Mitarbeitenden im Kleintier-, Pferde- und Nutztierbereich systematisch computerbasiert erfasst. Schon vorher wurde den Führungskräften deutlich, dass sie freie Nachmittage gewähren müssen, um die Belastungen zu kompensieren. Vogt begann darüber hinaus vor zehn Jahren, sich berufspolitisch zu engagieren. Den Anstoß gab die Gründung der bpt-Arbeitsgruppe „Angestellte Tierärzte“ vor etwa einem Jahrzehnt, der er sich anschloss mit dem Ziel, einen Beitrag zur Versachlichung der Debatte zu leisten. Er saß seitdem auf vielen Podien, hielt Impulsvorträge, gewann ein großes Netzwerk.

In den vergangenen vier Jahren fuhr Vogt die berufspolitische Arbeit zurück – zugunsten einer Leidenschaft, die ihn schon seit einigen Jahren begleitet: der Reportage- und Porträtfotografie. Auch hier wollte er sich endlich einmal ganz konzentrieren, nachdem er jahrelang „nebenbei“ fotografiert und viele Webinare und Coachings bei Fotografen absolviert hatte. Sein Ziel: gedruckte Bilder zeigen. „Gedruckte Bilder haben was, man steht ganz anders davor als vor so einem digitalen Bild auf dem Bildschirm. Sie haben viel mehr Tiefe.“ So kam es dazu, dass Vogt im Jahr 2022 zum ersten Mal ausstellte: Auf dem Leipziger Tierärztekongress im Sommer und im Deutschen Pferdemuseum Verden im Winter zeigte er seine 26 Bilder umfassende Serie „This is Equine Medicine“. Ein Pferd im OP, Szenen aus der Aufwachbox oder am Kran – solche Motive fand Vogt in verschiedenen Pferdekliniken. Das Wichtigste ist für ihn dabei Authentizität. Sein künstlerisches Ziel sei darüber hinaus, „das Besondere, manchmal Absurde in der Normalität zu zeigen“. Das können die beiden Esel sein, von denen hinter der hohen Wand der Pferdebox nur die gespitzten Ohren sichtbar sind, oder die Tierärztin, die, kaum ist das Pferd in der Aufwachbox, neben dem Patienten kniend schon wieder das Smartphone zückt und Social Media checkt.

Bekennender Dackelfan

Die medial vielbeachtete Ausstellung in Verden endete Anfang Januar, seitdem liegen die Bilder verpackt über Vogts Carport und er verschenkt sie jetzt nach und nach, auch an abgebildete Kollegen. Die Einnahmen durch die Verkäufe an Ausstellungsbesucher spendet Vogt an die Tierschutzorganisation Equiwent, die Pferden, Hunden und Menschen in Nordost-Rumänien hilft, einer der ärmsten Regionen der EU. Vogt setzt sich hier auch als Tierarzt ein, reiste schon mehrfach mit der Organisation in das osteuropäische Land. Via Instagram zeigt er ab und an auch Fotos, die er in Rumänien gemacht hat. Andere Aufnahmen auf @carsten.vogt und @nordwest_portraits sind Porträts von Frauen und Männern, Szenen aus dem Hockeysport oder der Pferdemedizin, immer nah dran, manchmal mitreißend und rasant, manchmal nachdenklich. Die meisten Likes aber bekommt er für Aufnahmen, die zufällig auf Spaziergängen entstehen: „Ich muss nur den Dackel fotografieren und es läuft“, sagt der „bekennende Dackelfan“, der drei Hunde hält. „Traumhaft schöne Frauen, spektakuläre Sportszenen, das alles bringt höchstens 50 Likes – der Dackel aber locker über 1.000.“

Hier wird es persönlich: weitere Porträts aus der Tiermedizin

Helga Kausel, Tierärztin und Social-Media-Star

Dr. Tanja Pollmüller – aus der Praxis ins Fernsehstudio

Sabine Schroll, Expertin für Katzenverhalten

Image
Dr. Veronika Klein bildet Pferdehalter weiter – und versetzt sie in die Lage, die Gesundheit ihres Tieres selbst besser zu beurteilen.
Foto: Diana Wahl

Porträt: Dr. Veronika Klein

Leichtigkeit per Mausklick

Dr. Veronika Klein entwickelt interaktive Kurse für Pferdehalter und erreicht so mehr Work-Life-Balance ­– eine Inspiration für alle Tierärzte.

Image
Hundeausstellung: In Zukunft für alle Hunde mit Defektmerkmalen verboten.
Foto: Dmitry - stock.adobe.com

Tierschutz-Hundeverordnung

Das Ausstellungsverbot für Qualzuchten

Seit Beginn dieses Jahres dürfen Hunde mit Qualzuchtmerkmalen in Deutschland nicht mehr ausgestellt werden oder an Prüfungen teilnehmen.

Image
Foto: zVg

Porträt

"Ich habe schon immer gerne beobachtet"

Dr. Michael Willmann vereint klinische Arbeit am Tier und Forschungstätigkeit in einer Person.