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Dauertropfinfusion mit Midazolam als Notfallbehandlung für Krampfanfälle bei Hunden

Krampfanfälle gehören zu den häufigsten neurologischen Symptomen des Hundes. Sie können zu lebensbedrohlichen Notfallsituationen wie Clusteranfällen und Status epilepticus führen, für die eine ideale Notfalltherapie noch nicht vollständig etabliert werden konnte.

Einleitung

Die Gabe von Midazolam als Dauertropfinfusion könnte bei Hunden mit Clusteranfällen oder Status epilepticus wirksam sein, allerdings existieren bisher hierzu nur wenige Einzelfallbeschreibungen. Ziel der Studie war es, den Einsatz und die Sicherheit von Midazolam in Form einer Dauertropfinfusion bei Hunden mit Clusteranfällen oder Status epilepticus zu untersuchen.

Material und Methoden

Es wurden 106 Hunde von Privatbesitzern, die aufgrund von Clusteranfällen oder Status epilepticus im veterinärmedizinischen College der North Carolina State University vorgestellt wurden, in die Studie eingeschlossen. Die Akten von Hunden mit Clusteranfällen oder Status epilepticus, die eine Dauertropfinfusion aus Midazolam erhielten, wurden hierzu retrospektiv ausgewertet.


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Ergebnisse

Von den 106 in die Studie eingeschlossenen Hunden zeigten 79 Hunde Clusteranfälle, 27 Hunde wurden im Status epilepticus vorgestellt. 73 Hunde erhielten bei Vorstellung einen Midazolambolus (intravenös und/oder intranasal), 66 Hunde erhielten anschließend weitere antikonvulsive Medikamente (intravenös und/oder oral); von den 33 Hunden, die keinen Midazolambolus erhielten, bekamen 27 antikonvulsive Medikamente (intravenös und/oder oral). Die mediane Zeit bis zum Beginn der Dauertropf­infusion mit Midazolam lag bei vier Stunden nach Vorstellung (Spannweite: 0–44 h). Eine Anfallskontrolle konnte bei 82/106 Hunden (77,4 %) unter Gabe von Midazolam als Dauertropfinfusion erreicht werden. Von den 24 Hunden, die nicht auf die Therapie ansprachen, zeigten 17 Hunde andauernde Krampfanfälle trotz Dosissteigerung, sieben Hunde verstarben oder wurden euthanasiert. Die mediane Dosis, die zur erfolgreichen Anfallskontrolle führte, lag bei 0,3 mg/kg/h (Spannweite: 0,1–0,25 mg/kg/h). 

Die Dauertropfinfusion wurde im Median über 25 Stunden verabreicht (Spannweite: 2–96 h). Die Anfälle konnten bei 34/40 Hunden (85 %) mit idiopathischer Epilepsie, bei 32/43 Hunden (75 %) mit struktureller Epilepsie, bei 12/16 Hunden (75 %) mit Epilepsie unbekannter Genese und bei 4/7 Hunden (57 %) mit reaktiven Anfällen unter Kontrolle gebracht werden (p = 0,2). Bei 82 % der Hunde mit Clusteranfällen und bei 67 % der Hunde mit Status epilepticus konnte ein Sistieren des Anfallsgeschehens erreicht werden (p = 0,18). Hunde mit idiopathischer Epilepsie und Epilepsie unklarer Genese hatten eine höhere Überlebenswahrscheinlichkeit als Hunde mit struktureller Epilepsie (87 versus 63 %, p = 0,009). 24 Hunde (22,6 %) zeigten milde unerwünschte Nebenwirkungen, darunter Sedation (11 Hunde; 10,4 %), Durchfall und Erbrechen (6 Hunde; 5,7 %), Übererregbarkeit (3 Hunde; 2,8 %), Ataxie (2 Hunde; 1,9 %) und Polyphagie (2 Hunde; 1,9 %).

Schlussfolgerung und klinische Relevanz

Die Gabe von Midazolam in Form einer Dauertropfinfusion scheint sicher und stellt möglicherweise eine effektive Behandlungsoption für Hunde mit Clusteranfällen oder Status epilepticus dar. Eine abschließende Beurteilung kann aufgrund der unterschiedlichen Behandlungsprotokolle und der zeitgleichen Verabreichung anderer antikonvulsiver Wirkstoffe nicht getroffen werden. Ein Hauptnutzen besteht möglicherweise in der Überbrückung der Zeitspanne bis zur Verstoffwechselung und Ausscheidung toxischer Substanzen oder Rückbildung metabolischer Enzephalopathien, bis zur Diagnosestellung struktureller Grundursachen oder der Anflutung und Anpassung antikonvulsiver Medikamente. Die Autoren empfehlen eine Startdosis zwischen 0,1–0,25 mg/kg/h und eine Dosissteigerung je nach Krampfaktivität bis hin zu 2 mg/kg/h. 


Originalpublikation
Bray KY, Grasa L, Mariani CL, Early PJ, Muñana KR, Olby NJ (2021): Continuous rate infusion of midazolam as emergent treatment for seizures in dogs. J Vet Intern Med 35: 388–396. 
doi.org/10.1111/jvim.15993.

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Foto: Jennifer Strangalies (3T MRT, TiHo, Hannover)

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