- Schmerzanzeichen beim Pferd sind häufig sehr subtil, sodass es schwer ist, Schmerz oder Unwohlsein zu erkennen und zu quantifizieren.
- Ein ausführlicher Katalog von Verhaltensweisen inklusive Videobeispielen hilft dabei, das Verhalten einzuordnen.
- Eine einheitliche Nomenklatur für Verhaltensweisen samt Kurzbeschreibung und Schemazeichnung erleichtert die Kommunikation.
Das Fluchttier mit dem Poker-Gesicht
Das Erkennen von „Schwächen“ im Sinne von Verhaltensweisen, die auf körperliche Beschwerden schließen lassen, ist beim Beutetier Pferd eine Herausforderung. Zahlreiche Studien belegen, dass solches Verhalten nur in Abwesenheit des Menschen gezeigt wird. Videoüberwachung eines sich unbeobachtet wähnenden Patienten ist hier eine Hilfe – aber welche Verhaltensweisen sind dann aussagekräftig und mit welchen Begriffen lassen sie sich zugunsten einer klaren Kommunikation, auch zwischen Tierarzt und Pferdehalter, definieren? Ein beeindruckender Lösungsvorschlag wurde jetzt von der University of Pennsylvania School of Veterinary Medicine publiziert.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte
Das Wissen aus 35 Jahren Erfahrung, eine umfassende Literaturauswertung und schließlich Tausende Stunden von eigenem Videomaterial wurden zusammengezogen, um eine prägnante Beschreibung aller mit körperlichen Beschwerden einhergehenden Verhaltensweisen bei Pferden aufzustellen. Hierbei wurde jedes Verhalten mit einem (in der englischen Sprache) geläufigen eindeutigen Begriff belegt, dem eine Kurzbeschreibung und eine instruktive Schemazeichnung zugeordnet wurden.
Das gesamte Ethogramm beläuft sich auf 73 Verhaltensweisen in acht Kategorien. Für jede wurde eine kurze Videoaufnahme hinterlegt, die online abrufbar ist und sich sogar auf das eigene Mobiltelefon herunterladen lässt, sodass dieses Ethogramm überall und jederzeit zur Verfügung steht, um beispielsweise die Kommunikation mit einem Tierhalter zu unterstützen. Für die acht Videos mit Lautäußerungen ist ein Kopfhörer nützlich.
Beispiele
- Vorsichtige Bewegung: Bewegt sich im Stall weniger als üblich, zögert beim Laufen, bewegt z. B. lieber Kopf und Hals, statt einen Schritt zu machen (Conservative movement: Less than typical movement about the stall, with apparent hesitation to walk (e.g., reaching with head and neck rather than stepping forward).
- Wimmern: Langer Laut im oberen Frequenzbereich (Whining: Emitting a long, high-pitched vocalization)
Originalpublikation:
Torcivia C, McDonnell S (2021): Equine Discomfort Ethogram. Animals (Basel). 11(2): 580. DOI 10.3390/ani11020580.
- Ein anderer Ansatz zur Schmerzbeurteilung beim Pferd ist die Horse Grimace Scale (HGS). Die Initiative tiermedizinische Schmerztherapie (ITIS) stellt hier einen Erfassungsbogen zum Download zur Verfügung.
- Mit dem Wiener Schmerzerhebungsbogen stellt die ITIS auch eine einfache, praxistaugliche Skala zur Schmerzerfassung beim Pferd zum Herunterladen zur Verfügung.