TY - JOUR KW - Adipositas KW - Tierschutz KW - Equines Metabolisches Syndrom KW - Gewichtsreduktion KW - Fütterungsmanagement AU - K Irgang AB -

Die wachsende Zahl adipöser Pferde stellt ein immer größeres, tierschutzrelevantes Problem dar, das in der Praxis weitgehend verharmlost wird. Fettleibigkeit ist das Ergebnis eines zu reichlichen Futterangebots, gepaart mit zu wenig Bewegung. Sie hängt klinisch eng mit Insulindysregulation (dem zentralen Faktor des Equinen Metabolischen Syndroms, EMS) und Hufrehe zusammen. Dieser Zusammenhang ist Pferdebesitzern meistens nicht bewusst. Da sie den Ernährungszustand gerade bei dicken Pferden oft nicht richtig einschätzen können, bedarf es einer qualifizierten tierärztlichen Beurteilung, die mit dem Body Condition Score (BCS), dem Cresty Neck Score (CNS) und dem basalen Insulin die aktuelle Fütterung und Haltung kritisch hinterfragt. Zum Abnehmen ist eine Reduktionsdiät einzuhalten, die aus höchstens 1,2 bis 1,5 kg Heu pro 100 kg aktuellem Körpergewicht, einer Proteinzulage, Mineralfutter und einem Salzleckstein besteht. Das Heu kann dabei bis zu maximal einem Drittel durch Futterstroh ersetzt werden. Zudem sind die Haltungsbedingungen unter Umständen grundlegend zu ändern. Das Raufutter, das – nach Futterwertanalyse – möglichst energiearm sein und weniger als 10 % leichtlösliche Kohlenhydrate in der Trockensubstanz enthalten sollte, wird im optimalen Fall mit Fresszeitverlängerung in Heunetzen oder Heuraufen, ggf. verbunden mit einer Zeitsteuerung, angeboten. Bei Lahmfreiheit sollten Pferde unbedingt viel Bewegung haben, die sich gut über eine Gruppenhaltung und einen Trainingsplan realisieren lässt. Dabei empfiehlt es sich, das tägliche Traben wöchentlich um fünf Minuten auf bis zu 30 Minuten am Tag – zunächst ohne Reitergewicht und eher im Gelände als auf dem Reitplatz – zu erhöhen. Die Kombination aus ab- und ausgewogener Ernährung mit Rationskalkulation und gezieltem täglichem Training führt am schnellsten und effektivsten zu Gewichtsreduktion, Verbesserung der Insulinsensitivität und geringerem Hufreherisiko. Hier sind tierärztliche Aufklärung und monatliche Abnehmbegleitung gefragt – je nach Schwere der Adipositas kann sich die Begleitung auf einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten erstrecken. Angesichts zunehmender Heu- und Futterknappheit sowie steigender Energie- und Düngerpreise bedeuten vorbeugende Maßnahmen zur Adipositasvermeidung eine Einsparung sowohl von Futterkosten als auch von Behandlungskosten im Falle der Erkrankung des Tieres. Vor allem aber verbessert die Prophylaxe von Adipositas in Form einer pferdegerechten Rationsgestaltung die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Pferde im Sinne des Tierschutzes

BT - Der Praktische Tierarzt CY - Hannover DA - 09/2022 DO - 10.2376/0032-681X-2236 ET - 09 LA - German N2 -

Die wachsende Zahl adipöser Pferde stellt ein immer größeres, tierschutzrelevantes Problem dar, das in der Praxis weitgehend verharmlost wird. Fettleibigkeit ist das Ergebnis eines zu reichlichen Futterangebots, gepaart mit zu wenig Bewegung. Sie hängt klinisch eng mit Insulindysregulation (dem zentralen Faktor des Equinen Metabolischen Syndroms, EMS) und Hufrehe zusammen. Dieser Zusammenhang ist Pferdebesitzern meistens nicht bewusst. Da sie den Ernährungszustand gerade bei dicken Pferden oft nicht richtig einschätzen können, bedarf es einer qualifizierten tierärztlichen Beurteilung, die mit dem Body Condition Score (BCS), dem Cresty Neck Score (CNS) und dem basalen Insulin die aktuelle Fütterung und Haltung kritisch hinterfragt. Zum Abnehmen ist eine Reduktionsdiät einzuhalten, die aus höchstens 1,2 bis 1,5 kg Heu pro 100 kg aktuellem Körpergewicht, einer Proteinzulage, Mineralfutter und einem Salzleckstein besteht. Das Heu kann dabei bis zu maximal einem Drittel durch Futterstroh ersetzt werden. Zudem sind die Haltungsbedingungen unter Umständen grundlegend zu ändern. Das Raufutter, das – nach Futterwertanalyse – möglichst energiearm sein und weniger als 10 % leichtlösliche Kohlenhydrate in der Trockensubstanz enthalten sollte, wird im optimalen Fall mit Fresszeitverlängerung in Heunetzen oder Heuraufen, ggf. verbunden mit einer Zeitsteuerung, angeboten. Bei Lahmfreiheit sollten Pferde unbedingt viel Bewegung haben, die sich gut über eine Gruppenhaltung und einen Trainingsplan realisieren lässt. Dabei empfiehlt es sich, das tägliche Traben wöchentlich um fünf Minuten auf bis zu 30 Minuten am Tag – zunächst ohne Reitergewicht und eher im Gelände als auf dem Reitplatz – zu erhöhen. Die Kombination aus ab- und ausgewogener Ernährung mit Rationskalkulation und gezieltem täglichem Training führt am schnellsten und effektivsten zu Gewichtsreduktion, Verbesserung der Insulinsensitivität und geringerem Hufreherisiko. Hier sind tierärztliche Aufklärung und monatliche Abnehmbegleitung gefragt – je nach Schwere der Adipositas kann sich die Begleitung auf einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten erstrecken. Angesichts zunehmender Heu- und Futterknappheit sowie steigender Energie- und Düngerpreise bedeuten vorbeugende Maßnahmen zur Adipositasvermeidung eine Einsparung sowohl von Futterkosten als auch von Behandlungskosten im Falle der Erkrankung des Tieres. Vor allem aber verbessert die Prophylaxe von Adipositas in Form einer pferdegerechten Rationsgestaltung die Gesundheit, die Leistungsfähigkeit und das Wohlbefinden der Pferde im Sinne des Tierschutzes

PB - Schlütersche Fachmedien GmbH PP - Hannover PY - 2022 SP - 918 EP - 931 T1 - Immer mehr adipöse Pferde: verharmlost, aber tierschutzrelevant T2 - Der Praktische Tierarzt TI - Immer mehr adipöse Pferde: verharmlost, aber tierschutzrelevant TT - Growing number of obese horses: an underestimated horse welfare problem VL - 103 SN - 0032-681X ER -