Welche Antibiotika gelten zukünftig als Reserve für kritisch kranke Menschen und dürfen in der Tiermedizin nicht mehr angewandt werden? Ein Nachfolge-Rechtsakt der neuen EU-Tierarzneimittelverordnung 2019/6 soll das festlegen, bevor das Gesetz im Januar 2022 in Kraft tritt. Nun wird gefordert, dass einige äußerst wichtige Antibiotika in der Tiermedizin ganz verboten werden sollen.
Mit Sicherheitsnetz für die Tiergesundheit: Entwurf der EMA
Von der EMA (European Medical Agency) wurde ein Entwurf für diesen Rechtsakt vorgelegt, der im Mai bereits von der Europäischen Kommission angenommen wurde. Er trägt den Namen „Kriterien für die Einstufung antimikrobieller Mittel, die für die Behandlung bestimmter Infektionen beim Menschen vorbehalten sind“. Der europäische Tierärzteverband FVE schreibt lobend zu diesem Entwurf, er würde der menschlichen Gesundheit Vorrang vor der tierischen geben, aber gleichzeitig ein Sicherheitsnetz für die Tiergesundheit einbauen.
Der Entwurf der EMA sieht vor, dass in der Veterinärmedizin nur Antibiotika verboten werden,
- bei denen es eine Resistenzübertragung vom Tier auf den Menschen gibt,
- die unverzichtbar für lebensbedrohliche Erkrankungen beim Menschen sind,
- die aber nicht unverzichtbar für die Tiergesundheit sind.
Bestimmte Antibiotika könnten in der Tiermedizin verboten werden
Einige Stimmen fordern allerdings ein Verbot aller von der WHO als „Highest Priority Critical Antibiotics“ – äußerst wichtige Antibiotika – eingestuften Wirkstoffe in der Veterinärmedizin. Im Juli wurde im Umweltausschuss des EU-Parlaments (ENVI) über den Rechtsakt beraten. Zur Enttäuschung der Tierärzteverbände wurde dort ein Entschließungsantrag angenommen, der den Rechtsakt in der von der EMA vorgeschlagenen Form ablehnt und die Antibiotikaanwendung in der Tiermedizin deutlich stärker einschränken möchte. Darüber wird nun im September im EU-Parlament abgestimmt.
Würde dieser Entschließungsantrag auch in der Plenarabstimmung angenommen, könnte das laut FVE und dem Bundesverband praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) bedeuten, dass die Tiermedizin mehr als die Hälfte der antibiotischen Produkte auf dem Markt verlieren würde – mit desaströsen Folgen für die Tiergesundheit. Antibiotika mit höchster Priorität (WHO) sind Polymyxine, Makrolide, Fluorquinolone sowie Cephalosporine der 3. und 4. Generation. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte e.V. (bpt) betont insbesondere, dass von einem generellen Verbot nicht nur Nutztiere betroffen wären, sondern auch Hunde, Katzen und Pferde. Viele Erkrankungen bei Tieren könnten nicht mehr angemessen behandelt werden.
Gegen ein weitreichendes Antibiotikaverbot: Unterschriftenkampagne und Petition
Der bpt hat eine Kampagne gestartet, um bei Tierhaltern bis zum 8. September 2021 Unterschriften gegen ein weitreichendes Antibiotikaverbot zu sammeln. Parallel gibt es auch eine Online-Petition, die auf die Kampagne des bpt Bezug nimmt, aber nicht vom Verband initiiert wurde. Mit der Aktion möchte der Verband ein starkes politisches Zeichen setzen und deutlich machen, dass er das geplante Anwendungsverbot bestimmter Antibiotika bei Tieren für tierschutzwidrig hält.
Der bpt appelliert an alle Tierärzte aller Spezies, bei Heimtierhaltern, Pferdehaltern und Landwirten Unterschriften zu sammeln. Alle bpt-Mitglieder erhalten eine Unterschriftenliste und ein Kampagnenplakat per Post und der bpt stellt das Material auch online zum Herunterladen zur Verfügung.