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In Balintgruppen haben Tierärzte Raum, sich mit Kollegen über schwierige Patientenbesitzer auszutauschen.
Foto: Olga Yastremska, New Africa, Africa Studio
In Balintgruppen haben Tierärzte den Raum, sich mit Kollegen über schwierige Patientenbesitzer auszutauschen.

Psychische Gesundheit

Balintarbeit: Ein neuer Weg, den Praxisalltag zu entlasten

Die Balintarbeit ermöglicht Praktikern ihre tiermedizinischen Fälle aus einer psychosozialen und emotionalen Perspektive zu betrachten, wobei Beziehungen, z.B. zum Patientenbesitzer, im Fokus stehen.

Tierärztemangel, Burnout, Suizide – Studien zeigen weiterhin, wie schlecht es um die mentale Gesundheit der Berufsgruppe steht und dass Tierärzte auf sich aufpassen müssen. Hierfür gibt es unterschiedliche Ansätze und die Balintarbeit ist eine davon. Die Sprachwissenschaftlerin und Tierärztin Veerle van Geenhoven leistet Pionierarbeit auf diesem Gebiet und ist der Überzeugung, dass Balintarbeit Tierärzte unterstützen kann, ihre psychosoziale Kompetenz zu professionalisieren. Dadurch können sie lernen, sich selbst zu schützen.

Was ist Balintarbeit?

Balintarbeit ist eine fallbezogene, supervisorische Methode, die in jedem Helferberuf ihre Anwendung findet. Bei der Balintarbeit, die nach dem ungarischen Arzt und Psychoanalytiker Michael Balint benannt ist, kommen sechs bis zehn Tierärzte oder Humanmediziner für 1,5 Stunden in einer Gruppe zusammen. Hierbei stellt einer als Referent (s)einen Konflikt vor, zum Beispiel mit einem schwierigen Patientenbesitzer. Wenn Sachfragen geklärt sind, hat die Gruppe die Möglichkeit frei zu assoziieren, also sich gegenseitig mitzuteilen, wie sie den Konflikt sieht bzw. welche Emotionen dieser bei ihnen auslöst.

Ein ausgebildeter Balintgruppenleiter sorgt dafür, dass das Gespräch sachlich und auf professioneller Ebene bleibt, da in der Gruppe ausschließlich über Arbeitsbeziehungen und nicht über persönliche Probleme gesprochen werden soll. Balintarbeit ist demnach weder eine Therapie, noch ein Coaching. Laut Veerle van Geenhoven, die sich seit 2019 intensiv für das Thema Balintarbeit in der Tiermedizin einsetzt, kann die Arbeit in der Gruppe aber durchaus eine therapeutische Wirkung haben. Ebenso ist es möglich, dass der Austausch mit den Kollegen tierferliegende Probleme aufzeigt, die zu der Erkenntnis führen, dass eine Therapie nötig ist.

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Effekte der Balintarbeit für den Tierarzt

  • Durch das Feedback der Kollegen werden Ihnen neue Perspektiven aufgezeigt.
  • Die Balintarbeit schärft die berufliche Empathie und erleichtert den Umgang mit schwierigen Kunden.
  • Sie können Emotionen Raum geben.
  • Sie machen sich bewusst, wie Sie als Tierarzt auf ihre Kunden wirken.
  • Sie erlernen psychosoziale Fähigkeiten, die es Ihnen ermöglichen, die eigene Psyche zu schützen.
  • Der Tierarzt hilft seinen Patienten, da diese auf die Mitarbeit ihrer Besitzer angewiesen sind. 

Wie kann ich eine Balintgruppe finden?

Im Gegensatz zur Humanmedizin, wo die Teilnahme in einer Balintgruppe als Fortbildung anerkannt ist, steckt die Balintarbeit in der Tiermedizin noch in den Kinderschuhen. Auf der Website der Deutschen Balint-Gesellschaft e.V. können interessierte Kollegen jedoch bestehende Gruppen finden und die entsprechenden Leiter anschreiben. „So habe ich es auch gemacht“, erzählt van Geenhoven. 

Leipziger Tierärztekongress 2024: Seminar zum Thema Balintarbeit

Am 19.01.2024 haben Sie die Möglichkeit  auszuprobieren, ob die Balintarbeit für Sie das Richtige sein könnte. Veerle van Geenhoven wird mit Dr. med. vet. Larissa de la Fontaine, Balintgruppenleiterin der Deutschen Balint-Gesellschaft e.V. , das Seminar „Balintgruppenarbeit in der Tiermedizin“ abhalten und damit die Möglichkeit bieten, diese Form der Supervision mit Kollegen aktiv mitzugestalten. „Auf den Bayrischen Tierärztetagen in Augsburg kam das Seminar gut an“, so van Geenhoven, die das Gefühl hat mit dem Thema „offene Türen einzurennen.“

Wenn Sie Interesse an Veerle van Geenhovens Seminar haben, können Sie sich hier anmelden.

In der Dezemberausgabe von Der Praktische Tierarzt lesen Sie ein ausführliches Interview mit Veerle van Geenhoven zum Thema Balintarbeit. Abonnenten von Der Praktische Tierarzt haben Zugriff auf ein Online-Archiv und ein E-Paper. Noch kein Abonnent? Hier können Sie ein Probeabo abschließen.

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