Liebe Eva, ich bin seit zwei Jahren angestellte Tierärztin in der Nutztierpraxis in Süddeutschland und verbringe den überwiegenden Teil des Tages alleine unterwegs zu/bei meinen Kunden. Wir machen in unserer Praxis mit mehreren Tierärzten regelmäßig Teamsitzungen, bei denen es um fachliche Themen geht: Dieser Austausch ist gut und wichtig, dennoch fühle ich mich bei der Arbeit oft sehr alleine. Ich bin aus meiner Unistadt aufs Land gezogen, weil die Nutztiermedizin meine Passion ist. Allerdings fehlt mir der soziale Austausch. Irgendwie hatte ich mir das Arbeiten anders, erfüllender vorgestellt. Vielleicht kannst Du mir helfen, wie ich das Thema angehen kann?
Eva: Liebe Kollegin, wie gut ich das kenne. Wir brennen für unseren Job, wir verlassen unser soziales Umfeld und ziehen um, wir stürzen uns in die Arbeit. Tagsüber sitzen wir vielleicht lange allein im Auto und irgendwann stellen wir fest, dass etwas fehlt. Wir Menschen sind soziale Wesen und brauchen die Verbindung mit anderen. Auch in unserer Arbeitszeit.
Wo also anfangen? Als ersten Schritt schlage ich vor, einmal aufzuschreiben, was Du Dir wünscht, um Dich bei der Arbeit richtig gut zu fühlen. Wenn ich diese Frage an meine Mitarbeiter stelle, kommt ganz oft: „Ich möchte gerne im Team arbeiten, ein Teil von etwas sein, das einen Sinn hat, der über das Geldverdienen hinausgeht. Ich möchte mit meiner Leistung, aber auch mit meinen Bedürfnissen wahrgenommen werden und mich weiterentwickeln können. Ich möchte wertgeschätzt werden und Rückmeldung zu meiner Arbeit bekommen.“ Vielleicht kommt Dir ein Teil dieser Antworten bekannt vor?
Was also tun? Ehrlich gesagt ist dieses Thema eine zentrale Aufgabe einer Führungskraft: Sorge zu tragen dafür, dass alle Mitarbeiter in einem Umfeld arbeiten können, in dem es ihnen gut geht. Sobald Du für Dich sortiert hast, was Du Dir wünschst, ist ein Gespräch mit Deinem Chef/Deiner Chefin der nächste Schritt. Bitte einfach um eine Stunde für einen Austausch.
In dem Gespräch selbst ist es gut, gleich auf den Punkt zu kommen: „Ich wollte mit Dir/Ihnen reden, weil es mir nicht gut geht und ich mich oft allein fühle bei der Arbeit.“ Ich-Botschaften anstelle einer Anklage, wie zum Beispiel „Sie lassen mich zu sehr alleine“, sind hier wichtig, damit auch Dein Chef/Deine Chefin offen in das Gespräch hineinfinden kann. Das alles hört sich jetzt vielleicht komisch an, ist aber wichtig, damit nicht um den heißen Brei herumgeeiert und der Austausch nicht sofort auf Fachliches gelenkt wird oder zu einem Streitgespräch mutiert.
Dieses erste Gespräch hat nicht den Zweck, direkt riesengroße Veränderungen zu bewirken. Es zielt darauf ab, in den Austausch zu kommen und gemeinsam zu überlegen, wie Du unterstützt werden könntest. Vielleicht vereinbart ihr regelmäßig ein Gespräch zum Thema „Wie ist die Lage“, vielleicht kann auch eine anderer Kollege Dein Mentor werden, vielleicht brauchst Du anders geregelte Arbeitszeiten … All das kann sich aus diesem ersten Austausch längerfristig ergeben, wenn ihr es schafft, offen über Deine Situation und gemeinsame Lösungen zu sprechen.
Veränderung beginnt immer mit dem ersten Schritt. Ich hoffe, ich konnte Dir etwas Mut machen, diesen zu gehen und Deine Bedürfnisse auch im beruflichen Kontext anzusprechen. (RED)
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EVA (Engagiert Veterinärmedizinisch Arbeiten) steht für eine Tierärztin, die seit mehr als zwei Jahrzehnten als Führungskraft und Coach in der Veterinärbranche arbeitet. In Der Praktische Tierarzt beantwortet Sie Ihre Fragen.
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